: Schwere Artilleriegefechte in Beirut
■ Bei den schweren Gefechten an der Grünen Linie, die den Ost– vom Westteil der Stadt trennt, sind am Samstag zahlreiche Menschen ums Leben gekommen / Geschäfte und Restaurants blieben geschlossen, die Straßen gehörten wieder einmal den Milizen
Aus Beirut Nadja Ghadban
Bis zum frühen Samstagabend dauerten die schweren Gefechte entlang der Grünen Linie, die den hauptsächlich von Moslems bewohnten Westteil der libanesischen Hauptstadt vom christlich– maronitisch beherrschten Osten trennt. Genaue Angaben über die Opfer dieser Kämpfe lagen am Samstagabend noch nicht vor. Erst gegen 18.00 Uhr ruhte die schwere Artillerie, die offensichtlich von beiden Seiten eingesetzt worden war. Nur noch vereinzelt war Feuer aus Automatik–Gewehren zu hören. Die 10. Brigade der regulären libanesischen Armee soll die Lage im Griff haben, meldeten am Abend die Medien der östlichen Seite. Die Maroniten– Partei „Kataeb“ und deren Miliz, die „Forces Libanaises“, bezeichneten den Chef der syrischen Geheimdiensteinheiten im Libanon, Brigadegeneral Razi Kanaan, als Drahtzieher des ganzen Unternehmens, das bereits in den frühen Morgenstunden des Sonnabends begonnen hatte. Außer Razi Kanaan sollen nach derselben Quelle ein hoher militärischer Verantwortlicher der schiitischen Amal– Milizen und Elie Hobeika, Ex– Führungsmitglied der „Forces Libanaises“, den Angriff vom syrischen Hauptquartier, dem Hotel „Beaurivage“ in Westbeirut, geleitet haben. Bereits in der Nacht zum Samstag sollen nahe dem Parteisitz der Phalange im Stadtteil Ashrafieyeh anonyme Flugblätter aufgetaucht sein, in denen die derzeitige Führung der „Kataeb“ scharf angegriffen wurde. Dr. Samir Geaegea, Chef der Partei, hatte sich in der letzen Woche noch einmal eindeutig gegen den von Syrien unterstützten Drei–Parteien–Ver trag ausgesprochen, eine der zahlreichen Zukunftsvisionen für den Libanon. Dieser Vertrag ermöglicht Syrien, auf konstitutioneller Ebene vielfältigen Einfluß im Libanon zu nehmen. Auf den Drei–Parteien–Vertrag haben sich auch die moslemischen Minister der seit Anfang September tagenden Kabinettsrunde festgelegt, deren Zielsetzung die Beendigung des Bürgerkriegs und eine den veränderten politischen Verhälntissen entsprechende Verfassungsreform ist. Bisher konnte diese Kabinettsrunde der „Nationalen Rettung“ keinerlei Erfolge verzeichnen. Elie Hobeika hatte im Dezember 1985 zusammen mit Drusenchef Joumblatt und dem Amal– Führer Berri dem Drei–Parteien– Vertrag zugestimmt. Im Januar dieses Jahres war der prosyrische Hobeika aus dem christlichen Ostbeirut vertreiben worden, seine Unterstüzer in den F.L. hatten sich ins Umland von Ostbeirut zurückziehen müssen. Am 10. August war es zu einer neuen Revolte und militärischen Auseinandersetzung im christlichen Lager gekommen. In Ashrafiyeh hatte wieder ein Unterstützer Hobeikas einen Putscher versucht, war aber militärisch besiegt worden. Hobeika soll, seit syrische Geheimdiensteinheiten den „Frieden „ in Westbeirut sichern, häufig im Hotel „Beaurivage“ gesehen worden sein. Reste der Gruppe von prosyrischen Meuterern sollen auch bei den Kämpfen vom Samstag beteiligt gewesen sein und den von Westen über die Grüne Linie vordringenden Angreifern entgegengekommen sein. Der Angriff habe zurückgewiesen werden können, hießt es bereits am Mittag in den Sendern der „Forces Libanaises“. Flugzeuge vom Typ „Hawker“ der regulären libanesischen Armee konnten am Mittag bei Aufklärungsflügen über der Grünen Linie und dem Hauptangriffsziel, dem Stadtteil Ashariyeh, beobachtet werden.In beiden Teilen der libanesischen Hauptstadt verbrachten die Bewohner den Tag in ihren Häusern. Geschäfte, Cafes und Restaurants blieben geschlossen. Die Straßen gehörten wieder einmal den Milizen, die allen Sicherheitsplänen und den Straßensperren der Armee zum Trotz wieder mit ihren leichten Waffen auftauchten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen