Schwenk des französischen Parlaments: Internet-Sperren abgelehnt
Am Donnerstag sollte die Nationalversammlung die umstrittenen Netzsperren für Dateitauscher endgültig verabschieden. Eigentlich eine Formalie. Nun wurden sie doch gestoppt. Vorerst.
BERLIN taz Jeremie Zimmermann, Aktivist des Netzbürgerrechtsbündnisses "La Quadrature Du Net", konnte seine Freude am Telefon kaum zurückhalten: "Das ist ein großer Sieg, ein großer Sieg für die Nutzer!"
Und er kam unerwartet: Obwohl ein Gesetz, das Internet-Usern nach dreimaliger Nutzung illegaler Dateitauschbörsen für mindestens zwei Monate den Zugang sperren sollte, eigentlich Ende letzter Woche bereits so gut wie verabschiedet war (der Gemeinsame Ausschuss der beiden Parlamentskammern hatte eine entsprechende Vorlage abgesegnet), stimmte die Natinalversammlung in voller Besetzung am Donnerstag völlig überraschend dagegen.
Offenbar müssen Zimmermann und seine Kollegen, die in den letzten Tagen massiven Lobbydruck über das Internet aufgebaut haben, auch Mitglieder der konservativen Parteien umgestimmt haben. "Letztlich zeigt das nur, wie unpopulär das Gesetz war."
Die Internet-Sperren-Regelung, die die härteste auf der Welt geworden wäre, hatte die UMP-Regierung unter Federführung des französischen Präsidenten Sarkozy in Zusammenarbeit mit der Medienindustrie einführen wollen.
Der Plan: Um Raubkopien beizukommen, sollten private Ermittler Dateitauschbörsen überwachen, um ihre Erkenntnisse dann an eine eigens geschaffene Behörde, die "Hochkommission für die Verteilung von Inhalten und den Schutz der Rechte im Internet" (HADOPI), weiterzuleiten.
Diese sollte Nutzern dann Warnungen verschicken. Sollten diese auch nach zweimaligen Ermahnungen nicht mit ihrer Verteilung illegaler Kopien aufhören, sollte ihnen der Internet-Zugang für zwei Monate gesperrt werden, bei Wiederholungstaten sogar für ein Jahr.
Die UMP-Regierung hält ihr Ansinnen allerdings noch nicht für erledigt. Im Gegenteil. Roger Karoupchi, der zuständige Staatssekretär (aus Sarkozys UMP) kündigte am Nachmittag an, die Regierung werde nach der Osterpause erneut eine Gesetzesvorlage ins Parlament einbringen. Faktisch wandte sich die Nationalversammlung ja nur gegen die gemeinsame Vorlage beider Parlamentskammern. Für Karoupchi ist das Gesetz nur verschoben, nicht aufgehoben.
Dass das Parlament die Regelung überhaupt stoppte, kommt für alle Beobachter überraschend. Üblicherweise, so Zimmermann im Gespräch mit taz.de, verhielten sich die Parlamentarier dem Vorschlag der Gemeinsamen Kommission entsprechend.
Aus diesem Grund hatten taz.de und auch diverse andere Medien in dieser Woche gemeldet, die Internet-Sperre sei bereits in Sack und Tüchern.
Selbst Aktivist Zimmermann, der im parlamentarischen Prozess steckt und unter anderem die Opposition berät, war davon ausgegangen, dass nur noch das französische Verfassungsgericht das Gesetz hätte stoppen können.
"La Quadrature Du Net" hatte deshalb damit begonnen, 60 Abgeordnete zu finden, die einen entsprechenden Antrag stellen sollten. Das Gericht hätte dann innerhalb von zehn Tagen entscheiden müssen. Vielleicht wird dieser Weg ja doch noch nötig.
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