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Schweizer Waffenschmiede Bührle ist am Ende

■ Der Rüstungskonzern leidet unter dem Lieferboykott in die Golfregion

Zürich (dpa) - An der Konzernspitze des Schweizer Rüstungskonzerns Oerlikon-Bührle findet ein Wechsel statt wegen Nichtauslieferung von Kriegsgerät für 280 Millionen Franken infolge der Irak-Krise. Daß ausgerechnet der waffenstarrende Konflikt in Nahost ein Rüstungsunternehmen zu Fall bringt, könnte als Ironie des Schicksals betrachtet werden. Allein - die Krise um die Zürcher Oerlikon-Bührle AG währt schon viel länger. Das Unternehmen (Umsatz 5,5 Milliarden DM, 27.000 Mitarbeiter) schreibt seit vier Jahren rote Zahlen in beträchtlicher Millionenhöhe.

Das Militärgeschäft, traditionelles Standbein des 1924 gegründeten Familienunternehmens, dürfte aber schon länger unprofitabel gewesen sein. Allein 1989 wurden hier 100 Millionen Franken (120 Millionen DM) Verlust offiziell zugegeben. Das Lenkwaffensystem Adats, praktisch letzte Hoffnung im Militärbereich, kostete mehr als eine Milliarde DM Entwicklungskosten. Es blieb aber so gut wie unverkäuflich. Statt - wie einmal erhofft - 1.000 wurden bislang nur 56 Adats-Systeme verkauft.

Natürlich hat die überraschende Ost-West-Entspannung Oerlikon-Bührle wie auch anderen Rüstungsunternehmen massiv geschadet. Daß aber Dieter Bührle - der den Konzern seit 1956 führt und 1971 wegen illegaler Waffenexporte zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden war -, nicht schon längst erkannt hatte, daß ein Familienunternehmen in einem kleinen Staat im Militärgeschäft langfristig nicht überleben kann, das wird ihm jetzt in der Schweiz vorgeworfen. Als die Krise im Unternehmen, das im zivilen Bereich durchaus profitabel ist, immer deutlicher wurde, zog sich Dieter Bührle zwar kürzlich in den Verwaltungsrat zurück, doch spann er immer noch sehr aktiv die Fäden.

Daß sein neuer Konzernchef Michael Funk, ein ehemaliger Nationalspieler im Klub des Handball-Fans Bührle, keine weitreichenden Befugnisse hatte, wurde schon offensichtlich. Als pikant wird hier angesehen, daß anscheinend Bührle -Schwester Hortense Anda - ebenfalls Großaktionärin - die Ablösung Funks verlangt hatte; so berichtete dieser jedenfalls einer Zürcher Zeitung. Während jedoch sie im Verwaltungsrat des Unternehmens bleibt, in dem es in den letzten Wochen massiven Streit wegen der Rüstungspolitik gegeben haben soll, zieht sich Bruder Dieter völlig zurück. Dies nicht zuletzt wohl auf Druck der Banken, die zwei Milliarden Franken Kredite ausstehen haben und im neuen Verwaltungsrat erheblich stärker vertreten sein dürften.

Daß das Ende der 66jährigen Familienherrschaft über das Unternehmen auch das Ende der traditionsbeladenen Waffenschmiede Oerlikon-Bührle bedeutet, scheint unausweichlich. Die forcierte Partnersuche der letzen Monate blieb erfolglos, und nur der radikale Abbau des Rüstungssektors (knapp 9.000 Beschäftigte) könnte den Konzern retten, meinen Schweizer Beobachter.

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