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Schwedische Selbstbedienung Von Klaudia Brunst

Gelegentlich verbringen wir ganz gerne einen geruhsamen langen Samstag bei Ikea. Einen Vorwand gibt's immer, diesmal braucht meine Freundin 27 Meter lustigen Vorhangstoff für ihre Kita. Und lustigen Stoff gibt's eben nirgendwo so lustig wie bei Ikea. Also auf an den Stadtrand, rein ins Family-Paradies zu den jugendlichen Couchgarnituren, peppigen Wohnzimmereinrichtungen und schwedisch designten Bettlaken. Im Stoff- Center suchen wir lustige Vorhänge und finden kleine Seeräuber auf taubenblauem Grund. Schöner Tag, so ein Ikea-Tag.

„Wir hätten gerne hiervon 27 Meter“, bittet meine Freundin eine träge Verkäuferin im roten Polohemd. „Schön für Sie“, blafft die zurück, „Maßbänder gibt's da vorne.“ Ikea hat nämlich umgestellt. „Wie Sie Stoff kaufen“ steht auf einem großen Plakat über unseren Köpfen: „1. Suchen Sie den Stoff aus.“ Soweit sind wir ja jetzt schon. „2. Messen Sie die gewünschte Länge mit dem Maßband ab.“ Schon schwieriger. „Wie geht's jetzt weiter?“ fragt meine Freundin unter einem Berg kleiner Seeräuber. „Schneiden Sie den Stoff ab“, ruft uns ein junger Mann zu, der selbst mit „Candra“ in Dunkelrot kämpft. Fachfrauisch ritzen wir also den Stoff an und reißen den Ballen in zwei Hälften. „Tschuldigung, ich hätte gerne hiervon vier Meter“, kommt daraufhin lächelnd eine Frau auf uns zu. „Schön für Sie“, blafft meine Freundin zurück und wendet sich wieder der Selbstbedienung zu.

„4. Schreiben Sie den Namen und die Artikelnummer auf den gelben Zettel. 5. Legen Sie bitte den Stoffballen an seinen Platz zurück. 6. Zahlen Sie mit dem gelben Zettel an der Kasse.“ Jetzt endlich meine ich den Sinn jener blinkenden Elektrowaage erkannt zu haben, auf die wir vorhin unsere Mäntel abgelegt haben. „Du, die wiegen den Stoff, damit man sie nicht bescheißen kann. Genial!“

Meine Freundin versteht mal wieder gar nichts. Gerade kläre ich sie über die spezifischen Gewichte verschiedener Stoffqualitäten auf – da stelle ich entsetzt fest, daß die Elektrowaage gar nicht betriebsbereit ist. „Tschuldigung, wie wird denn jetzt kontrolliert, ob das wirklich 27 Meter sind?“ frage ich eine ältere Dame in roter Bluse. „Keine Ahnung“, zuckt sie die Achseln, „ich bin auch nur wegen drei Meter Bleiband hier.“ Na, das kann ja heiter werden. Ich sehe uns schon an der Hauptkasse stehen, eingekeilt zwischen drei „Billy“-Kompletteinrichtungen und einem „Halland“-Ecksofa. Und dann haben wir doch was ganz Wesentliches vergessen, müssen zurück, eine Waage finden, die träge Verkäuferin reanimieren, zurückrennen, noch mal an die Kasse...

Schweißgebadet tippele ich in der Warteschlange, warte auf den unabwendbar peinlichen Moment, denke an Flucht (oder zumindest an eine Zigarette), verfluche diesen Ausflug, die Kita, meine Freundin, die kleinen Seeräuber. Da stehen wir auch schon auf dem Parkplatz. „Is' doch alles glattgegangen“, schüttelt mich meine Freundin, „die wollten wirlich nur den gelben Zettel!“ Aber jetzt ist meine Laune endgültig im „Ivar“- Keller. Da rechnen die doch tatsächlich mit meiner Ehrlichkeit. Und ich bin auch noch so blöd und habe nicht einmal die Nahtzugabe ergaunert. Nächstes Mal gehen wir ins KaDeWe. Da haben sie nicht nur Verkäuferinnen. Da haben sie sogar Hausdetektive.

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