: Schwarze Zahlen mit roten Chinesen
■ Die Volksrepublik China ist „Partnerland“ auf der Industrie–Messe in Hannover / Chinesische Exporte sollen gesteigert werden, die Importe möglichst nicht / Bundesdeutsche Unternehmen konkurrieren um Aufträge für Maschinen und Industrieanlagen / Bundesdeutsche Kapital hat bereits kräftig profitiert
Von Dietmar Bartz
Werner H. Dieter, Vorstandsvorsitzender von Mannesmann, strich seinem Redenschreiber einen Absatz aus dem Manuskript. Bei einer Ansprache auf der Industrie–Messe in Hannover verzichtete er darauf, die Schwierigkeiten zu erwähnen, an denen der Konzern offenbar bei Verhandlungen um ein gemeinsames Unternehmen mit chinesischen Großbetrieben, ein „Joint Venture“, gescheitert war. Die Vorsicht ist derzeit für die bundesdeutschen Konzernherren angebracht. Im letzten Jahr gingen die chinesischen Importe aus der Bundesrepublik leicht zurück, und der Kuchen wird auch in den nächsten Jahren nicht sonderlich größer werden. Auch unter den großen Unternehmen ist die Konkurrenz um die eingeschränkten chinesischen Bestellungen im Ausland (siehe Kasten) ausgebrochen. Dabei macht Mannesmann mit der Volksrepublik seit langem gute Geschäfte. Seit den dreißiger Jahren im Land präsent, erhielten die Röhren– und Industrieanlagen–Bauer vor zehn Jahren als erstes bundesdeutsches Unternehmen die Akkreditierung für eine eigene Vertretung in Peking. Auch der erste Großauftrag der chinesischen Regierung, der in die BRD ging, galt Mannesmann: Für 650 Millionen DM lieferte der Konzern ein Walzwerk und eine Gießanlage für das Hüttenkombinat in Wuhan. Eine Rohrfertigungsstraße für das Stahlkombinat in Baoshan wurde ebenfalls in Düsseldorf bestellt, und erst im März erhielt die Mannesmann– Tochter Demag–Sack den Auftrag zur Lieferung eines kompletten Kaltwalzwerkes, wiederum für Wuhan. Mannesmann, gab Konzernchef Dieter bekannt, wickle derzeit ein Geschäftsvolumen von rund einer Milliarde DM mit der Volksrepublik ab. Darüber hinaus bestünden 35 Kooperationsverträge mit chinesischen Produzenten. Wie Mannesmann läßt kein Großunternehmen die Chance aus, sein Engagement in China darzustellen. China ist das diesjährige „Partnerland“ auf der Industrie–Messe in Hannover. Im Vorjahr war es Bulgarien, doch die osteuropäischen Funktionäre waren nicht annähernd so umworben wie jetzt die Führungskräfte aus dem verheißungsvollsten Binnenmarkt der Erde. In der Halle 19 stellen sich zwei Dutzend Außenhandelsgesellschaften, Unternehmen, Provinzen und Städte vor - von der Rohstoffindustrie und den Herstellern von Werkzeugmaschinen bis zum Modell der Rakete „Langer Marsch 2“ für den Satellitentransport ins Weltall. Direkt am Eingang gibts dazu einen neuen VW Santana der „Shanghai–Volkswagen Automotive Company“. Bei Volkswagen in Wolfsburg finden gegenwärtig offiziell „Überlegungen“ über die Errichtung eines weiteren Werkes in der Volksrepublik statt. Ministerpräsident Albrecht bei der Eröffnung der Präsentation: „Wenn jeder 20. Chinese einen Volkswagen kauft, würde das mehr sein, als bisher überhaupt VWs gebaut wurden.“ Reißenden Absatz finden allerdings nur die Prospekte am Stand der Nationalen Tourismusbehörde. Das meist englischsprachige Werbematerial an den Kojen der Industrie, aber auch der Städte und Provinzen, die mit ihren Produkten und Ansiedlungsprojekten locken wollen, geht nur zögerlich über die Tresen. Nachdem in den vergangenen Jahren die Hafenstädte und die küstennahen Regio nen mit ihrer entwickelten Infrastruktur gleich reihenweise mit Freundschafts–, Partnerschafts– und Kooperationsvereinbarungen unter Vertrag genommen wurden, werben jetzt die mehr im Landesinneren gelegenen Wirtschafts– verwaltungen um Abnehmer ihrer Produkte und um Investoren. Die Messedelegation aus China umfaßt 110 Köpfe. Noch einmal halb so viel reisten mit Staatsrat Zhang Jinfu in den letzten Tagen durch die BRD und schauen sich jetzt auf der Messe die Produkte der internationalen Konkurrenz an. AKW–Geschäft geplatzt Der Staatsrat, der in Peking für die Modernisierung der chinesischen Wirtschaft verantwortlich ist, wird bei seinen häufigen Auftritten nicht müde, die Fortsetzung der Öffnungspolitik gegenüber dem Ausland zu betonen. Die Einfuhr ausländischen Kapitals soll fortgesetzt und die Devisen– Erlöse durch Mehrexporte gesteigert werden - „um dann mehr zu importieren“. Von der bisherigen Öffnung hat das bundesdeutsche Kapital bereits kräftig profitiert. Krupp erzielte in den letzten vier Jahren Durchschnittsumsätze von je 200 Millionen Mark; von Thyssen war zu erfahren, daß der Handel des Konzerns inzwischen auf etwa 400 Millionen Mark angewachsen ist. Arg gebeutelt wurde allerdings Klöckner, deren Maschinenbau– Tochter Seitz, Enziger, Noll AG im Geschäftsjahr 86 einen Verlust von 20 Millionen Mark einfuhr. Ihr Osthandel mit der UdSSR und China schrumpfte um zwei Drittel. Die größten Aufträge gingen allerdings bislang der Siemens–Tochter KWU und der Frankfurter Metallgesellschaft durch die Lappen. Bei der Lieferung von zwei 600–Megawatt– AKW–Blöcken in die Volksrepublik, für die die Chinesen vier Milliarden Mark hätten zahlen müssen, war zwar die Bezahlung in Devisen vereinbart worden. Zugleich sollte jedoch über die Metallgesellschaft ein Kompensationsgeschäft abgewickelt werden: Unter der Leitung des Rohstoff– und Technologiekonzerns sollten in gleicher Höhe Waren aus China in der BRD verkauft werden. Als der KWU–Auftrag platzte, wurde auch dieses bereits genau ausgehandelte Geschäft gegenstandslos. Rohstoffe spielen bisher bei den Exporten keine allzu große Rolle; so sind die meisten Bergbauprodukte für die Inlandsverarbeitung gedacht. Ein Potential steckt allerdings bei den Exportmetallen, etwa Wolfram oder Molybdän. Bei Halbfertigprodukten, der nächsten Verarbeitungsstufe, herrscht eine starke Konkurrenz mit den Schwellenländern im südostasiatischen Raum, vor allem aber mit Erzeugnissen aus den Ostblock–Ländern. Die größte Aufmerksamkeit gilt folglich den profitablen Fertigprodukten, die nur dann gegen die Konkurrenz auf dem Weltmarkt eine Chance haben, wenn sie deren qualitativen Ansprüchen entsprechen. Fast notwendig führt das bei Handelsbeziehungen zur Konstruktion des Joint Ventures, denn ein „westlicher“ Partner bei der Herstellung von Fertigwaren bietet den Abnehmern eher die geforderten Garantien. Das gilt allerdings nur für Wirtschaftszweige, für die sicher ist, daß die Waren im chinesischen Inland bleiben. Unternehmer aus USA, Japan und Westeuropa fürchten kaum mehr, als auf dem Weltmarkt mit billigeren Produkten aus den eigenen Anlagen zu konkurrieren.
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