: Schwarz-gelber Abschied von der Staatswirtschaft
■ FDPs liebster Regierungspartner heißt CDU: Privatisieren ohne Grenzen
Nicht nur ihr Pressematerial ließ Hamburgs außerparlamentarische FDP gelb-schwarz drucken. Auch bei den politischen Prioritäten sieht sich der neue Hamburger FDP-Chef Frank-Michael Wiegand der CDU näher als der SPD. Fast identisch mit denen der Christdemokraten lauteten seine gestern kundgegebenen Forderungen für den künftigen wirtschaftspolitischen Kurs der Hansestadt: Privatisieren ohne Grenzen.
Endlich müßte Hamburg sich von der „Staatswirtschaft“ verabschieden und von der HEW bis zur Sprinkenhof AG alle öffentlichen Unternehmen als „ganzes Pfund“ verkaufen. „Der SPD fehlt es in Hamburg nicht an Einsicht, sondern an Mut.“ Mit den Erlösen aus dem Vermögens-Ausverkauf würde Wiegand eine „Neuordnung der Politik“ finanzieren.
„Grundsätzlich“ stehe die FDP für Privatisierung, aber nicht, wie der rot-graue Senat, um „Löcher zu stopfen“, so Wiegand. „Private können in der Regel besser wirtschaften als Beamte und Politiker.“ Gern gibt er zu, daß diese Positionen „der CDU näher sind als der SPD“. Abgeschrieben habe er aber nicht vom CDU-Spitzenkandidaten Ole von Beust. Gesellschaftspolitisch gebe es allerdings größere Gemeinsamkeiten mit den Sozialdemokraten und „sogar mit der GAL“.
Trotz der programmatischen Übereinstimmungen mit bereits im Parlament vertretenen Parteien hält Wiegand den Wiedereinzug der FDP ins Rathaus für überaus notwendig. Wegen der „einzigartigen Mischung“ liberaler Politik. „Die anderen tun nur so, als ob sie liberal sind.“ Das Mitmischen der FDP auf den Regierungsbänken täte der Stadt deshalb gut, glaubt Wiegand. Wenn er was zu sagen hätte, würde der APO-FDP-Chef zuallererst die Gewerbesteuer wieder senken, die der Senat aus Finanznot erst in dieser Legislaturperiode erhöht hat.
Obwohl Wiegand den Hamburger Sozialdemokraten die Berliner Verhältnisse als beispielhaft vorhielt, sei eine große Koalition an der Elbe „gefährlich für die Demokratie“. Schlimme politische Zustände – schwarz-rot oder rot-grün – könnten nur mit der FDP verhindert werden.
Zweifel, die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen, plagen Wiegand nicht. Nach dem Disaster um die „Bettelsteuer“, die seinen Vorgänger Hans-Joachim Widmann zum Rücktritt zwang, habe er die Partei „Ende 1996 im schlechten Zustand“ vorgefunden. Aber jetzt „hat sich das entscheidend geändert“. Seine Partei sei inzwischen in Aufbruchstimmung. Mit einem „pfiffigen, witzigen und intelligenten Wahlkampf“ gedenkt er, an die „liberale Grundströmung in dieser Stadt“ zu appellieren. Silke Mertins
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