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Schwanger sein kann dauern

■ Auch in Neuseeland kommt die Generation X in die Jahre: "Topless Women Talk About Their Lives" von Harry Sinclair nähert sich ihrem Leben über die Form der Seifenoper. Eine Schwangerschaft als roter Faden durch

Alles beginnt an einem Strand in Neuseeland. Irgendwo ein paar Felsvorsprünge weiter, wurde „Das Piano“ abgedreht. Aber jetzt liegt hier nur ein Drehbuch herum, ein ziemlich schlechtes zudem, das von einem deutschen Touristen gefunden wird. Es heißt „Topless Women Talk About Their Lives“, und es wird ein Film im Film daraus entstehen. So hat der Film, in dem der Film vorkommt, einen hübschen Titel gefunden.

Denn die Geschichte um das Drehbuch am Strand Down-Under, das in Deutschland verfilmt wird, „die war nur dazu da“, erzählt Regisseur Harry Sinclair, „um den Titel des Films zu rechtfertigen“. Der sei ihm eingefallen, einfach so, aber leider hatte er mit der Story seines geplanten Films „rein gar nichts zu tun“.

Der direkte Vorläufer von „Topless Women“ ist die angeblich kleinste Seifenoper der Welt: 50 Folgen von jeweils vier Minuten, die Sinclair mit teilweise derselben Besetzung für das neuseeländische Fernsehen gedreht hat. Aus den Charakteren der Serie, die weitgehend mit den Schauspielern identisch sind, wurde die Idee für den Spielfilm entwickelt. Am Wochenende, in den Wohnungen der Beteiligten, mit den Klamotten, die man halt so anhat, mit der Handkamera und ohne Ausstatter, größtenteils auch ohne Skript – so wurde „Topless Women“ gedreht. Da wird die ökonomische Notwendigkeit zur Authentizität, und die wurde wiederum durch die Bearbeitung des Regisseurs gebrochen, der unter der Woche versuchte, dem am Wochenende entstandenen Material am Schneidetisch irgendeine Struktur zu verleihen. Schließlich gab das neuseeländische Filmboard Geld, ohne jemals ein Drehbuch zu Gesicht bekommen zu haben. Und wenn man Musik brauchte, bediente man sich halt aus dem Fundus von Flying Nun, dem wichtigsten und so ziemlich auch einzigen neuseeländischen Independent-Label. Die alte Garde aus den 80ern, The Clean, The Bats, die Chills und Chris Knox, ist auf dem wunderschönen Soundtrack ebenso vertreten wie die aktuellen Gitarren-Dängler Suprette oder 3Ds.

Die Dreharbeiten zogen sich sechs Monate hin. Was daran lag, daß eine Schwangerschaft nun mal eine Weile dauert, auch wenn die Hauptdarstellerin eines Spielfilms betroffen ist. Nun erwecken allein die Schwangerschaft und das Baby wenigstens annähernd den Eindruck, es gäbe irgendwo einen roten Faden in „Topless Women“, wo es eigentlich nur einzelne kleine Geschichten gibt.

Da ist Liz, die zu ihrem Abtreibungstermin eine Woche zu spät kommt, sich nun mit dem Gedanken anfreunden muß, bald Mutter zu werden, und sich überlegt, wer als Vater geeignet wäre. Da ist Goeff, der zwar notorisch untreu, aber eigentlich ein netter Kerl ist und außerdem stricken lernt. Da ist Ant, der sich schon mal aus Versehen beinahe selbst erwürgt oder auch mutterseelenallein auf der Kreuzung steht und „Laßt mich alle in Ruhe!“ brüllt, einen Joint ablehnt mit den Worten „Macht mich paranoid!“ und aus dessen Drehbuch der gnadenlos langweilige Film „Frauen ohne Hemde sprechen über ihren Lebenslauf“ entsteht.

Diese vielen Miniplots sind zwar miteinander verwoben, aber laufen doch gleichberechtigt nebeneinander ab – wie in einer Daily Soap, nur daß „Topless Women“ seine Figuren weder zynisch noch lieblos behandelt, sondern mit einem respektvollen, aber durchaus humorvollen Abstand. „Als du gesagt hast, du liebst mich“, fragt Liz einmal, „hast du da gemeint, du liebst mich?“ Wem ging dieser Satz nicht auch schon mal durch Kopf? Zeigen wollte Sinclair, wie sie da so leben in Neuseeland, denn auch da gibt es eine Generation X, die sich Mühe gibt, erwachsen zu werden, und doch Angst davor hat. Die die sexuelle Orientierung erst noch ausbaldowert und rausfinden muß, ob Heiraten nun cool ist oder nicht.

Das mögen nicht die drängendsten Menschheitsprobleme sein, und Danielle Cormack ist nicht so hübsch wie Winona Ryder, dafür ist sie echt schwanger und „Topless Women“ nicht so glatt geraten wie „Reality Bites“, aber mindestens genauso lustig. „Es ist nicht der wichtigste Film aller Zeiten“, sagt Sinclair selbst und hat sicher recht damit, „und will es auch gar nicht sein.“ Wenn er das wirklich so gesagt hat: endlich mal ein Filmemacher ohne Profilneurose. Thomas Winkler

„Topless Women Talk About Their Lives“, Neuseeland 1997, Buch & Regie: Harry Sinclair. Mit Danielle Cormack, Willa O'Neill, Ian Hughes, Joel Tobeck, 86 Min.

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