: Schwäne schrecken Känguruhs
Der erstaunliche Erfolg der „Sydney Swans“ macht den sonst ungeliebten Australian Football auch in der Rugby-Metropole populär ■ Aus Sydney Eric Chauvistré
Bislang verlief die Grenze entlang des Murray River: Rugby wird fast ausschließlich in Sydney und Neusüdwales gespielt, „Aussie Rules“ ist im Bundesstaat Victoria mit der Hauptstadt Melbourne zu Hause. Doch im hundertsten Jahr der australischen Liga hat auch die Rugby-Stadt Sydney den einzigartigen Australian Football entdeckt, bei dem im Gegensatz zum als fair geltenden Rugby so ziemlich jede Gemeinheit erlaubt ist.
Die bisherige Spaltung im Sport stand symbolisch für eine bittere Rivalität zwischen den beiden Viermillionenstädten Australiens. Sogar die Hauptstadt Canberra verdankt ihre Existenz einzig der Tatsache, daß bei der Staatsgründung vor hundert Jahren keine der Metropolen der anderen den Regierungssitz gönnte: Eine künstliche Stadt auf halbem Weg zwischen beiden war die einzig akzeptable Lösung.
Melbournians sehen ihre Stadt als das intellektuelle Zentrum Australiens und halten wenig von den raufenden Rugbyspielern im Norden. Sydneysider sind nicht anders: Wen interessiert schon Melbourne, wenn die Hafenbrücke, das Opernhaus und die besten Strände vor der eigenen Haustür liegen. Seitdem aber der einzige Aussie Rules Club der Stadt, der 1982 von Melbourne nach Sydney übergesiedelt war, überraschend die Vorrunde an der Spitze der Tabelle beendet hat, ist plötzlich alles anders. Wenn die „Sydney Swans“ morgen auch noch das Halbfinale gegen die „Mighty Bombers“ von Essendon gewinnen, wird es am letzten Septemberwochenende Zehntausende Sydneysider zum Finale ins sonst geschmähte Melbourne ziehen. Und die Gegner dort könnten durchaus die „Kangaroos“ aus North Melbourne sein, die es im Halbfinale mit Brisbane zu tun haben.
Während die Begegnungen der Swans in diesem Jahr meist ausverkauft sind, finden die Rugby- League-Spiele häufig vor traurig leeren Rängen statt. Dabei sah vor einem Jahr alles noch ganz anders aus: Rupert Murdoch, gebürtiger Australier mit US-amerikanischem Paß, hatte große Pläne für die Rugby League: Um Kerry Packer, dem zweiten Medienmogul im Lande, die alleinigen Fernsehrechte an der australischen Rugby-Liga streitig zu machen, plante Murdoch den Aufbau einer internationalen „Superleague“. Die Anzahl der Lizenzen für Rugbyclubs sollte verringert und die Finalrunde gemeinsam mit britischen Vereinen ausgetragen werden. Spieler und Vereine wurden zu hohen Summen verpflichtet, und die Clubs spalteten sich in Anhänger und Gegner der Murdoch- Liga.
Wenige Tage vor dem geplanten Beginn der neuen „Superleague“ im Frühjahr dieses Jahres verzögerte ein Gericht die ehrgeizigen Pläne des Medienzars. Doch der Streit ließ einen schalen Geschmack zurück. Selbst treuen Fans der „Working class“-Sportart Rugby war nun klar, daß es hier allein ums große Geld ging. Vor allem um das Geld der zwei Männer, die die australische Medienlandschaft fest im Griff haben. Seitdem wagen sich immer mehr Sydneysider auch mal ins benachbarte Aussie-Rules-Stadion. Und die Zahl der Fans wird wohl weiter ansteigen: Nicht zuletzt weil „Rules“ bei den nicht englischsprachigen Einwanderern und bei Aborigines beliebter ist als Rugby.
Melbournians wissen unterdessen nicht so recht, was sie von der Begeisterung für „ihren“ Sport jenseits des Murray River halten sollen. Endlich die arroganten Sydneysider zum einzig wahren „Footy“ bekehrt zu haben tut schon gut. Sollte der Meisterschaftstitel jedoch nach Sydney gehen, wäre das für Melbournians eine unfaßbare Katastrophe: Aussie Rules hat in Melbourne nahezu religiösen Charakter. Wer sich nicht als Fan eines der Melbourner Clubs identifiziert, kann in der Stadt kaum Fuß fassen.
Wenigstens eine weltweite Murdoch-Liga wird den Melbourner Fußball nicht bedrohen. Denn Aussie Rules wird nur in Australien gespielt – allenfalls dem irischen „Gaelic Football“ ist es ähnlich. Auch ist die Sportart nicht sonderlich fernsehgerecht: Sechsunddreißig Spieler rennen kreuz und quer über ein Oval, das das gesamte Stadion ausfüllt. Die Konsequenz sind wilde Kameraschwenks, die es ungeübten Zuschauern schwermachen, das schnelle Spiel am Fernsehschirm zu verfolgen. Nur wer Aussie Rules im Stadion erlebt hat, versteht überhaupt, wohin der Ball gekickt und geboxt wird, was die siebenstelligen Ergebnisse zu bedeuten haben und warum es an jedem Ende gleich vier Torpfosten gibt.
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