: Schulen warten auf den Propheten
In Bremen gibt es Konsens über den islamischen Religionsunterricht, aber kein geeignetes Personal. Die Kirchen sind die lachenden Dritten
Eine Geschichte mit tausendundeiner Wendung: Die Bremer Muslime haben ihr Recht auf die religiöse Unterrichtung ihrer Kinder in der Schule durchgesetzt. Nun hängt es am Personal – das wurde gestern beim Ausländerausschuss der Bürgerschaft deutlich. Schon zweimal hat die Bildungsbehörde eine entsprechende Stelle ausgeschrieben – erfolglos. Es gab keine qualifizierten Bewerber.
Kein Wunder: Die Universität Münster wird demnächst den ersten Studiengang für islamische Religionspädagogik einrichten. Für den Bremer Schulversuch Islamkunde allerdings zu spät – der ist nämlich fast in trockenen Tüchern: Das Schulzentrum an der Koblenzer Straße hat schon fest zugesagt, zwei weitere Schulen sind interessiert. Die islamischen Organisationen, die den Religionsunterricht fordern, haben sich in langwierigen Verhandlungen auf ein inhaltliches Konzept für islamkundlichen Unterricht auf „allgemein-muslimischer Grundlage“ geeinigt. Daraus könnte man schnell einen Lehrplan stricken. „Das ist überregional beachtet worden“, sagt Oberschulrat Werner Willker anerkennend. Und damit sind die Bedingungen erfüllt, die auch für das Fach Biblische Geschichte gelten: Die Bremer Landesverfassung sieht einen überkonfessionellen, religionskundlichen Unterricht vor – keinen kirchlich getragenen Religionsunterricht, wie in vielen anderen Bundesländern.
Ab Februar hätten die ersten Kinder aus dem Leben Mohammeds lernen können – wenn es nur Lehrer gäbe. Die Bildungsbehörde sucht nun eine Übergangslösung. Willker verhandelt mit zwei „von Hause aus“ muslimischen Lehrern für andere Fächer. Wenn sie zusagen, will die Behörde sie fortbilden, damit sie im kommenden Jahr die Arbeit aufnehmen könnten.
Die islamischen Vereine wollten die Sache beschleunigen, indem sie vorübergehend islamische Pädagogen stellen, die keine Lehrer sind. Das wiederum akzeptierte die Bildungsbehörde nicht – die Bremische Verfassung sieht vor, dass die Kirchen sich aus dem Unterricht heraushalten. Für die Muslime soll dasselbe gelten. Außerdem will die Behörde über das Dienstrecht die volle Kontrolle über das Verhalten der Lehrkräfte behalten. Zähneknirschend haben daher auch die Vereine die abermalige Verzögerung akzeptiert und wollen lieber Nägel mit Köpfen: „Nun ist es wirklich besser zu warten und dann richtig zu beginnen“, sagt Abdulkarim Sari von der Milli-Görüs-nahen Islamischen Föderation. Für die Pläne seiner Organisation, den Islam in der bundesdeutschen Gesellschaft zu verankern, hängt viel vom Ausgang des Bremer Versuchs ab, nachdem zwei andere Bundesländer entsprechende Projekte eingefroren haben.
Im Ausländerausschuss wurde gestern parteiübergreifendes Wohlwollen gegenüber dem Schulversuch deutlich. Die CDU hat mitgespielt, weil es auch für die christlichen Kirchen ein dickes Bonbon gab: Die Schulbehörde hat das über Jahre stiefmütterlich behandelte Angebot in Biblischer Geschichte drastisch ausgeweitet. In den Klassen fünf und sechs bieten nun 95 Prozent der Schulen das Fach an, vor einem Jahr waren es noch fünf Prozent. Und die Teilnahme ist ähnlich rasant angestiegen, seit Schüler, die nicht teilnehmen, anderweitig die Schulbank drücken müssen. Jan Kahlcke