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Archiv-Artikel

Schuldloses Vergehen

Nicht jeder passt ins Behördenschema: Das kann zum Vorwurf des Betrugs und einem Strafprozess führen

Von bes

Bremen taz ■ Das Sozialamt hat die junge Frau angezeigt. Ihr wird vorgeworfen, zu Unrecht erhöhte Bezüge erhalten zu haben. Die sechsfache Mutter hat die Gratifikationen für Alleinerziehende erhalten – dabei sei ihr doch der Mann, den sie verlassen hatte, nachgezogen und habe einem der sechs Kinder sogar den Sportverein bezahlt – und Süßigkeiten gekauft. Das hätte sie melden müssen. Also kam es gestern zum Prozess im Amtsgericht. Der Vorwurf: Betrug.

Nicht ungewöhnlich das Vergehen. Mit Sozialleistungen werde oft Missbrauch getrieben, munkelt man. Und einschlägige Fernseh-Formate zeigen gern, wie die guten Behörden-Detektive den Übeltätern auf die Schliche kommen. Klingeln unangemeldet, gucken in Schränke und Bad, entdecken Rasierpinsel und Kondome. Der Glotze-Reporter freut sich und spricht entrüstet von Sozialamts-Abzocke. Es geht ja auch Mega-Beträge. In diesem Fall um sechs Monate lang 175 Euro zusätzlich.

Die junge Beschuldigte spricht kaum Deutsch. Der Übersetzer ermittelt, dass sie drei Geburtsdaten hat, die vier Jahre auseinander liegen. Nur von einem weiß sie gesichert, dass es nicht stimmt. Hinter die Staatsangehörigkeit wird die Protokollführerin ein Fragezeichen gemacht haben.

Die Angeklagte berichtet von insgesamt vier Kontrollbesuchen in ihrer Wohnung, findet, es sei kein Unrecht, wenn ein Vater mit seinen Kindern spreche. Dass die Sozialamtsleute Anstoß daran genommen haben, dass der Mann sich um die Kleinen kümmert, versteht sie nicht. „Sie hätten das anzeigen müssen“, sagt ihr der Vertreter der Staatsanwaltschaft. „Ich habe nicht gelogen“, antwortet sie, jetzt in der Amtsprache.

Nach wortreichen Erklärungen des Dolmetschers wird die junge Frau verstanden haben, wo der Fehler lag. Dass die Kontrolleure eben nur kontrollieren, ob ihre Angaben stimmen, aber nicht ihr, sondern der Behörde sagen, wenn da etwas falsch ist. Das hat sie offenbar nicht gewusst. Ein Urteil wird nicht gesprochen, die Buße gnädig auf 160 Euro taxiert, das zu Unrecht erhaltene Geld muss zurückgegeben werden.

Darüber, wieviel die Kontrollen des Sozialamtes kosten, wird nicht Buch geführt. Pflicht sind sie bei einmaligen Zuschüssen für Anschaffungen. Sonst liegt es im Ermessen des Sachbearbeiters, ob sie stattfinden. Laut Behörde ist dabei „natürlich vorgesehen“, dass diese „das klärende Gespräch“ mit den Betroffenen suchen. bes