■ Bonn-apart: Schuld sind die andern
Seit Lafontaines Frontalangriff auf die Zunft der Journalisten ist offenkundig, was sich schon länger anbahnte: Politiker und Parteien schlagen zurück. Aber weniger die großen Attacken à la Oskar scheinen geeignet, die Stimmungslage zu wenden. Beachtung verdienen vielleicht eher die kleinen Vorstöße von unbekannteren Vertretern dieses Berufsstandes, die schlankweg behaupten: Nicht wir, die anderen sind schuld. Stellungnahmen von Vorder- und Hinterbänklern staatstragender Parteien, die für Politik- und Staatsverdruß alle nur möglichen Vorgänge und Adressen ausfindig machen, nur nicht die Politik der eigenen Partei, häufen sich mittlerweile zu beachtlichen Bergen. Nicht nur die Journalisten – eine Gruppe, die leider und unbestreitbar windige Vertreter in ihren Reihen hat – auch anerkannte Stützen der Gesellschaft müssen sich da manche Anklage gefallen lassen. Macht zum Beispiel der Bonner Polizeipräsident, der über die Bannmeile um das Bonner Regierungsviertel pragmatisch nachdenkt, „wieder ein Stück Demokratie kaputt“? Das befürchtet der Abgeordnete Schmidt (CSU), schlimmer noch, er entdeckt hier die Tendenz, „von der repräsentativen parlamentarischen Demokratie zur populistischen Betroffenheitsdemokratie überzugehen“. Soviel zur Polizei – Schmidts Parteikollege Regenspurger hatte einen Tag vorher die „Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes“ ausgerechnet bei einem deutschen Gericht ausgemacht. Die Einstellung eines Verfahrens wegen Nachrüstungsblockade kommentiert er in schlichter Allgemeinheit: „Die Reihe der krassen Fehlentscheidungen deutscher Gerichte reißt nicht ab.“ Wenn es soweit gekommen ist, dann kann auch eine Kommission des Bundespräsidenten nicht viel ausrichten. Jedenfalls wirken sogar die hochoffiziellen Erklärungen von CDU, FDP und SPD zu den Empfehlungen der Parteienfinanzierungskommission recht verschnupft. Aus der Arbeit der Sachverständigen hebt die CDU vor allem heraus, „daß die Arbeit der Parteien aus öffentlichen Mitteln finanziert werden darf“. Huldvoll befindet die FDP, die Empfehlungen seien „hilfreich“. SPD- Schatzmeisterin Wettig-Danielmeyer rutscht auf der letzten Zeile des höflich-differenzierten Lobes doch noch heraus, was sie von den Experten eigentlich hält: sie entdeckt eine neue, nämlich die „von-Arnimsche Parteienfeindlichkeit“. Und die kommt ihr in der Arbeit der Kommission, der Diäten-Kritiker Hans Herbert von Arnim angehört, „allzu oft“ und noch dazu „ungeschminkt zum Ausdruck“. Tissy Bruns
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