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Schuld hat die Geschichte

■ Plädoyer im Prozeß gegen Ex-DDR-Verteidigungsrat

Berlin (AP/AFP/taz) – Der Prozeß gegen die Mitglieder des ehemaligen Nationalen Verteidigungsrates der DDR wegen der Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze neigt sich dem Ende zu. Vor der 27. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts hielt gestern die Verteidigung des früheren SED-Bezirksvorsitzenden von Suhl, Hans Albrecht, ihr Schlußplädoyer.

Sie verlangten für den ehemaligen Suhler SED-Bezirkschefs einen Freispruch. Eine individuelle Schuld des 73jährigen für die Todesfälle an der innerdeutschen Grenze sei nicht nachgewiesen worden, sagte Rechtsanwalt Jürgen Fleck.

Den Angeklagten werde unzulässigerweise als Mitglieder eines Staatsorgans der Prozeß gemacht. Der Staatsanwaltschaft warf Fleck vor, „politisch unter Druck“ zu stehen. Sein Kollege Hans-Peter Richter betonte, Albrecht sei für Todesschüsse an der Mauer nicht verantwortlich. Auch sei die Existenz eines Schießbefehls nicht bewiesen worden.

In seinem Plädoyer erklärte Fleck, das Grenzsystem der DDR liege nicht nur in der Verantwortung der Politiker von DDR und Sowjetunion, sondern sei auch von der Bundesrepublik und den Westalliierten heraufbeschworen worden. „Warum hat man 1961 nicht für Ganzdeutschland einer Österreichlösung zugestimmt, dann stünde das Grenzregime heute gar nicht zur Debatte“, sagte Richter. Grundlage des Verfahrens könne nur DDR-Recht sein. In diesem unterlag das Grenzregime aber keiner strafrechtlichen Verfolgung. Albrechts Verteidiger Hans- Peter Richter warf der Staatsanwaltschaft „administrative Selbstgerechtigkeit“ vor, mit der heute die DDR bewertet werde. Der aus Ostdeutschland stammende Jurist bezeichnet sich selbst als „anwaltliche Altlast“.

Zuvor hatten bereits die Verteidiger des ehemaligen DDR-Verteidigungsministers Heinz Keßler und seines Stellvertreters Fritz Streletz Freispruch für ihre Mandanten gefordert. Die Staatsanwaltschaft hatte hohe Freiheitsstrafen gegen alle drei Angeklagten gefordert, für Keßler zwölf Jahre, für Streletz zehn Jahre und für Albrecht acht Jahre Haft. Oberstaatsanwalt Bernhard Jahntz bekräftigte am Montag seine Anträge. Als Mitglieder des Verteidigungsrates hätten die Angeklagten DDR-Flüchtlinge als Feinde des Staates betrachtet, denen der Krieg zu erklären gewesen sei. Deshalb verdiene vor allem Keßler keine Milde. Am Dienstag sollen die Angeklagten ihre Schlußworte sprechen. Das Urteil wird am Donnerstag erwartet.

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