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Archiv-Artikel

Schuld: Überleben

Axel Freiherr von dem Bussche-Streithorst wurde am 20. April 1919 in Braunschweig geboren. Er erreichte das „Gardemaß“ von 1,96 Meter und wurde von seinem Vater auf die militärische Laufbahn geschickt. Als zukünftiger Major und Bataillonskommandeur trat er 1937 in das Infanterieregiment 9 in Potsdam ein. Bussche, aus altem niedersächsischem Adelsgeschlecht stammend (sein Neffe war Prinz Claus von der Niederlande) stieß dort zu einer Gruppe adliger Offiziere. Scherzhaft wurde das Regiment „Graf 9“ genannt.

Das Schlüsselereignis zum militärischen Widerstand war das Massaker von Dubno 1941, als Freiherr von dem Bussche-Streithorst Zeuge eines Massenmordes an Juden durch SS-Männer wurde. Sich nicht an der „Aktion“ zu beteiligen, kommentierte er mit: „Diese ‚Hilfe‘ zu verweigern, war das Einzige, was zu tun war.“

Zum Hitlergegner geworden, trat er in Aktion im Kreise der Verschwörer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Henning von Treckow. Aus dem Infanterieregiment 9 sollten neunzehn Teilnehmer am Hitlerattentat vom 20. Juli 1944 hervorgehen.

Im Herbst 1943 erklärte er sich bereit, bei der Vorführung neuer Ausrüstungsstücke für Infanteristen mit Sprengstoff sich selbst, Hitler, Göring und Himmler in die Luft zu sprengen. Tagelang wartete von dem Bussche im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“. Die Attentatspläne mussten verworfen werden, als die präparierten Uniformen bei einem Luftangriff in Berlin verbrannten. Bussche kehrte zurück an die russische Front.

Im Kriegseinsatz mehrmals schwer verwundet, musste ihm 1944 im SS-Lazarett Hohenlychen sein rechtes Bein amputiert werden. Für seinen Einsatz wurde ihm das Ritterkreuz verliehen. Im Lazarett erfuhr er per Radio vom vereitelten Hitlerattentat Graf von Stauffenbergs. In Bussches Wäschekiste, die man ihm nachsandte, lag noch immer der Sprengsatz. Mit Hilfe von Freunden, die alles belastende Material vernichteten, entging er der Verfolgung.

Nach seiner Heimkehr studierte er Jura an der Universität Göttingen, arbeitete als Programmassistent der deutschen Abteilung der BBC London und von 1948–49 als Lektor für Werbung im Suhrkamp Verlag. In den Fünfzigerjahren arbeitete Bussche im Presseamt der Bundesregierung und gehörte im Range eines Legationsrats der Deutschen Botschaft in Washington an. In den Sechzigerjahren hatte er entscheidenden Anteil an der Aufbauphase des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) und gehörte auch dem Präsidium des Evangelischen Kirchentags an.

Axel Freiherr von dem Bussche-Streithorst starb am 26. Januar 1993 in Bad Godesberg. Die Grabrede hielt sein enger Freund seit Offiziers- und Studiumszeiten, der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Er nannte den Verstorbenen „einen wahren Helden, der nach dem Inferno der Hitlerzeit stets von der Vorstellung geplagt“ gewesen sei: „Unsere Schuld ist es, überlebt zu haben!“. NINA MAYRHOFER