: Schütteln und Backen
■ Henning Harnisch
Fick die anderen!“, so der überalkoholisierte Stadt-Tramper, als er nachts aus meinem Auto steigt und sich verabschiedet. Einigermaßen überrascht bleibe ich zurück. Fick die anderen, was mag das wohl heißen? Hat der junge Mann mich mit in sein Boot genommen? Was ist das für eine konspirative Gruppe? Wer sind die anderen? Die neue Mitte? Das Internet? Etwa Amazon Dot Com? Musste man nicht das Andere verstehen, um zu sich selbst zu kommen? Ist es in diesem Sinne gedacht, ist hier sozusagen das penetrierende Element gemeint, das anvisierende, das gebraucht wird, um letztendlich bei sich selbst fündig zu werden. Puh, widme ich mich lieber konkreteren Fragen.
Zum Beispiel: Wer wird wohl der nächste Deutsche Meister im Basketball?
Zum Beispiel die: Wer wird eigentlich Deutscher Meister im Basketball? Na, ist das eine harte Nuss? Da ich nicht davon ausgehen kann, dass allen LeserInnen das Material zum Knacken im Moment geläufig ist, biete ich zunächst ordnungsschaffende Kategorien an. Hier die Liga:
1. Die Neuen: Wie bekommt man Lich, Weißenfels, Frankfurt und Hamburg unter einen Hut? Überhaupt nicht, es sei denn, man befindet sich – zumindest in diesem Jahr – in der Basketball-Bundesliga. Deutscher Meister? Lich will auch mal dabei sein, Weißenfels plant die längerfristige Etablierung eines Produktes, und Hamburg will (nicht mehr lange?)
Und Frankfurt? Frankfurt arbeitet an seiner Identität, will möglicherweise sogar ins Endspiel vordringen, muss aber vorher noch in der höchst aufregenden neu gegründeten Nordeuropäischen Basketball-Liga (!) seine „Fans“ (Wie wird man eigentlich Fan von den Skyliners, Herr Possmann?) vergraulen – und das, nachdem es schon irre spannende Spiele im Saporta-Cup gegeben hat. (Nebenbei: Die brauchen gar nicht zu denken, dass sie so einfach 3.000 von den 40.000 Galaxy-Deppen abzwacken können, is nicht.) Prognose: Meister will hier niemand werden. Hier wird höchstens die Zukunft der Liga entschieden. Aber nicht, wie man denken könnte, nach dem Prinzip Klein- gegen Großstadt, sondern eher zwischen Neoliberalismus gegen Gutmütigkeit. The winner is ...
2. Die Etablierten: Der harte Kern der Liga. Orte, die durch die Uni gepräfixt werden: Gießen, Ulm, Braunschweig, Bamberg, Trier, Würzburg und (Fernuni) Hagen. Man kennt sich. Hier liegen Herz und Seele in der Institution; ob man Vierter oder Siebter wird ist letztendlich wurscht, Hauptsache, man schafft die Play-offs – was bald nicht mehr nur zwölf von vierzehn Mannschaften möglich sein wird, sondern dann wirklich auch allen vierzehn. Klasse. Immer noch vermisst man die Jungs aus Göttingen und Heidelberg. Prognose: Ach; war das damals schön in der Sportschau. Für die Verblüfften.
3. Die Weggefallenen: Nein, Göttingen und Heidelberg spielen da nicht mehr mit. Nein, auch die Hilfe-ich-will-hier-weg-Orte wie Bramsche, Ludwigsburg und, schluchz, Oberelchingen sind nicht mehr dabei. Der Präsident, der den Schlüssel für die Halle hatte, ein paar Jobs vermitteln konnte und als Bürgermeister ... schließt jetzt nur noch zum Handball-Training die Halle auf. Schade. Au Backe, was bleibt da noch übrig? Nicht viel.
Streicht man Leverkusen – absolutes Bay-Arena-Niemandsland –, dann bleibt als letzte Kategorie nur noch eine, die sich vielleicht am besten mit einem Wort zusammenfassen lässt, einem Wort, welches heutzutage eher als Negativfolie verwendet wird und Vision heißt. Genau, Vision. Visionen brauchen Orte, brauchen Strukturen, brauchen Menschen, die diese leben. Herzlichen Glückwunsch, Berlin und Bonn, das ist eure Kategorie. Natürlich lässt sich auch hier motzen, aber viel gibt es nicht anzumahnen, denn die Leute wissen eigentlich, was sie tun. Zwar wird Bonn nicht Meister, sorry, aber, und das ist eine Menge, es wird dort nicht über die Verhältnisse und über mangelndes Geld geheult; es kann nicht nur am jugoslawischen Trainer liegen.
Nun also die Auflösung: Millenniums-Meister wird – das sage ich, ohne sonderliche Seherqualitäten zu haben und ohne den anderen Vereinen generelle Spielbereitschaft absprechen zu wollen: Alba Berlin. (Wer illegal mit mir wetten will, der schreibe an die taz). Toll, nicht. Und was sagen die anderen dazu? Muss ich nochmal den Tramper fragen.
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