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Schütteln und Backen

■ Die DDR wäre nicht abgestiegen, hätte sie sich an den Knicks der Siebziger orientiert

Mein Lieblingstrainer Phil Jackson, ehemaliger Meistercoach der Chicago Bulls, wird definitiv nicht nächstes Jahr als Präsident der USA zu den Bürgern sprechen. Wer ein Buch mit Namen „Maverick“ geschrieben hat und dort ausführlich über seine Experimente mit LSD reflektiert – okay, es waren die Siebziger –, dem bleibt in dem Land, in dem noch Bill-ich-habe-nicht-inhaliert-Clinton regiert, nichts anderes übrig, als nächstes Jahr die L.A.

Die DDR wäre nicht abgestiegen, hätte sie sich an den Knicks der Siebziger orientiert

Lakers buddhistisch zu erleuchten. Auch Walt „Clyde“ Frazier hat keine Chance. Zu sehr Hipster, zu schwarz, zuviel Shaft, das kann das Land nicht verkraften.

Aber aufgepaßt, hier lesen Sie es zuerst: Der neue Präsident der USA wird Bill Bradley heißen. Kennen Sie nicht? Ich sage Ihnen, wer das ist, Bill Bradley, der Mann, der schon aufgrund seiner alliterierenden Namensbeschaffenheit locker Stimmen einsacken wird, right Ronald? Der Mann, der mit Jackson und Frazier bei den Knicks spielte, in den Siebzigern, als LSD und Shaft sich zusammen mit Bill Bradley im Madison Square Garden vor den Spielen aufwärmten.

Es war einmal in Amerika, da drückte mir mein Gastvater ein Buch in die Hand und sagte: „Das ist ein außergewöhnliches Buch von einem außergewöhnlichen Menschen.“ Das sagte der gute Mann mit diesem gewissen Tonfall, der einen jungen Menschen die Qualitäten des Älterwerdens erahnen läßt. Der weise Mann verschwand dann wieder hinter seinen Büchern. Ich verkroch mich mit der Aussicht auf Außergewöhnliches auf meinem Sofa, ganz tief in Suburbia Los Angeles. Und tauchte Stunden später mit verklärtem Blick im zugebuchten Arbeitszimmer meines theologischen Gastvaters auf und sagte gerührt: „Danke Bill.“

Danke Bill, sagte ich damals laut zum bücherlesenden Bill, und zugleich leise zu einem anderen Bill, einem bücherschreibenden Bill. Es war ein basketballrunder Kopf, der damals im High-School-Umfeld von Surf und Suff auf meinen Schultern saß und den Bill Bradley ordentlich aufpumpte. Bill Bradley aus Crystal City, Missouri, der Mann, der meinen Gastvater animierte, seinen hoffnungslos in Körben denkenden Austauschsohn mit Stoff zu versorgen.

Good Shit war das, was in dem „Life On The Run“ betitelten Buch zu lesen war. Das dachte ich damals und denke und sage ich erst recht jetzt nach der Lektüre unzähliger Klischee-Profisport-Erfahrungsgeschichten aus der Welt der Magics, Birds und Rileys, die in ihrem Duktus nach einer Endlosschleife von „We went to Houston. It was February and I scored thirty points“ klangen. Dieses hier war anders. Und das nicht nur, weil Bill Bradley in Princeton zum College ging, einer Schule, in der Athleten auf Sportstipendien verzichten müssen und die mehr Seitenscheitel und Lieblingsschwiegersöhne produziert als die CSSR jemals Eishockeytrainer mit Doktorentitel hervorbrachte. Und nicht nur, weil er danach als Rhodes Scholar zwei Jahre in Oxford verbrachte, obwohl das Mutterschiff aller Basketballer, die NBA, rief. Laut hat sie angeklopft bei Bradley, da dieser Princeton und Basketball versöhnte und korrekterweise seine sportliche Uni-Karriere mit dem Gewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 1964 krönte.

Aber das sind nicht die Gründe, warum „Life On The Run“ ein anderes und außergewöhnliches Buch ist. Denn gut ist es, wenn ein Sportler, unabhängig von Schulen, Eltern und Erziehung, seine sportlichen Erfahrungen in passende Worte fassen kann. Worte, die nicht bei Pässen und Spielen verweilen, sondern die anstreben, die Stunden ohne die spielerischen Höhepunkte, die Stunden, die den Tag manchmal länger als vierundzwanzig Stunden erscheinen lassen, akkurat literatisch zu beschreiben.

Doch die ausführliche Antwort auf die Frage, was an „Life On The Run“ so anders und außergewöhnlich ist und die inhaltliche Auflösung der These, daß Bill Bradley im Jahre 2000 Präsident der USA genannt werden muß, kann heute nicht gegeben werden. Auch die Gründe für die gewagte Äußerung, daß die DDR, wenn sie sich an den New York Knicks der Siebziger orientiert hätte, nicht in die zweite Liga abgestiegen wäre bzw. Konkurs angemeldet hätte, muß warten. Der nächste Präsident der USA verlangt eine ausführliche Belichtungszeit. Es riecht nach Fortsetzungskolumne. See ya.

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