: Schüssel will nicht nur zuschauen
■ Mit einem Vorsprung von 415 Stimmen bleibt die FPÖ vor der ÖVP. Die zögert jetzt aber doch mit dem Gang in die Opposition
Wien (dpa/AP) – Mit nur 415 Stimmen Vorsprung ist die rechtsgerichtete Freiheitliche Partei (FPÖ) unter Jörg Haider bei den Parlamentswahlen in Österreich zweitstärkste politische Kraft geworden. Damit verdrängte sie endgültig die konservative Volkspartei (ÖVP) auf den dritten Platz.
Dies geht aus dem amtlichen Endergebnis der Wahlen vom 3. Oktober hervor, das Innenminister Karl Schlögl am Dienstag in Wien nach Auszählung der Briefwahlstimmen offiziell bekannt gegeben hat. Damit bleibt die Zusammensetzung der neuen Regierung in Wien weiter offen, wo bislang unter Führung des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Viktor Klima eine große Koalition aus Sozialdemokraten (SPÖ) und Konservativen regiert hat.
Der ÖVP-Bundesvorstand wollte noch am Dienstag beraten, ob angesichts des knappen Ergebnisses nun doch über eine Koalition verhandelt werden soll. Die ÖVP hatte ursprünglich den Gang in die Opposition angekündigt, falls sie auch nur eine Stimme hinter der FPÖ zurückliege, und damit anscheinend viele unentschlossene Wähler mobilisieren können. Nun will ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel das nicht so hart gemeint haben, wie es gesagt war, denn ein derart knappes Ergebnis sei nicht zu erwarten gewesen. Die ÖVP ist im Gegensatz zur SPÖ zu einer Zusammenarbeit mit der FPÖ bereit.
Israels Außenminister David Levy hat gestern erneut seine Entschlossenheit bekräftigt, im Fall einer Regierungsbeteiligung Haiders die Beziehungen zu Österreich abzubrechen. Er sagte in einem Interview mit dem israelischen Armeerundfunk: „Wenn – Gott bewahre – er (Haider) Koalitionspartner wird, dann werden wir natürlich unsere Beziehungen zu Österreich abbrechen.“
Zunächst wird Bundespräsident Thomas Klestil den SPÖ-Chef Klima als Chef der stärksten Fraktion mit der Regierungsbildung beauftragen. Nach dem amtlichen Endergebnis kamen FPÖ und ÖVP beide auf 26,91 Prozent und damit auf jeweils 52 der insgesamt 183 Sitze im Wiener Nationalrat. Die Sozialdemokraten (SPÖ) blieben mit 33,15 Prozent trotz starker Verluste stärkste Partei und erhalten 65 Mandate, die Grünen 14. Die Wahlbeteiligung lag bei 80,42 Prozent der 5,8 Millionen Stimmberechtigten.
Vor der Auszählung der mehr als 250 000 Briefwahlstimmen hatte die FPÖ noch 53 Mandate beanspruchen können, eines mehr als die ÖVP. Nach dem vorläufigen Endergebnis hatte die FPÖ noch mit einen Vorsprung von 0,3 Prozent vor der Volkspartei gelegen. Die Auszählung der Briefwahlstimmen war erst Dienstagnacht abgeschlossen worden.
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