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Schüler kämpfen für Klassenkameradin

■ Familie soll nach Kroatien zurück / Lebensbedrohliche Situationen befürchtet Von Kaija Kutter

Bürgermeister Henning Voscherau bekam vergangene Woche ungewöhnliche Post: „Ich will das Duska hir bleibt. Duska hat hir file freund sie ist traurig das sie weg maus“, schrieb beispielsweise Jennifer. 20 Bittbriefe der Klasse 3a der Schule Eberhofweg sollten bewirken, was eine Petition an den Eingabeausschuß der Bürgerschaft nicht vermocht hat: Die Abschiebung der vierköpfigen Familie S. ins kroatische Osijek zu verhindern.

„Der Vater des Ehemannes ist Serbe, deshalb gilt die Familie in Osijek als serbisch“, erläutert Klassenlehrerin Göntje Friedrichs. Und als Serben würden Familie S. in der kroatischen Stadt stark angefeindet. Ihr Wohnhaus wurde bereits von der Verwaltung requiriert. Bei „realistischer Einschätzung“ sei die Familie „Repressalien bis hin zu lebensbedrohenden Situationen ausgesetzt“, heißt es in einem Offenen Brief an den Senat, den neben der Lehrerin auch die Elternvertreter der Schule unterzeichnet haben. Die Gefahr bestehe auch dann, wenn die Familie in serbisch besetzte Gebiete kommt, da sie von mütterlicher Abstammung her kroatisch ist.

Die neunjährige Duska ist seit der ersten Klasse Schülerin der Langenhorner Grundschule. Die Familie war 1991 als Kriegsflüchtlinge nach Hamburg gekommen, zum Wohnort der Eltern des Vaters, die seit 27 Jahren in Deutschland leben und die deutsche Staatsangehörigkeit haben.

Eigentlich gibt es gar keinen Grund, „ohne Not eine junge europäische Familie in eine solche verzweifelte Situation zu schicken“, schreibt die Pädagogin. Der Vater hat eine feste Arbeit und zahlt Steuern. Die Großeltern haben für sie eine Bürgschaft unterzeichnet, so daß der Hansestadt in keinem Fall „irgendwelche Kosten entstehen“. Eine Abschiebung widerspreche zudem der Empfehlung des UN-Flüchtlingskommissars.

Doch der Eingabeausschuß der Hamburger Bürgerschaft schloß sich dieser Sichtweise nicht an. Es seien „keine Umstände ersichtlich“, die das Verlassen des Bundesgebietes für die Familie zu einer „besonderen Härte werden lassen“, heißt es in dem Ablehnungsbescheid der Eingabe vom 7. Februar. Osijek habe eine funktionierende Verwaltung und sei bewohnbar.

Kriegsflüchtlinge aus Kroatien werden bereits seit Mai –94 aus Hamburg abgeschoben. Derzeit beginnt die zweite Phase der per Staatsabkommen geregelten „Rückführung“, die nun auch Bewohner ehemals besetzter und zerstörter Gebiete betrifft.

Rund die Hälfte der ursprünglich 850 in Hamburg lebenden kroatischen Flüchtlinge sei bereits freiwillig zurückgekehrt, sagt Ausländerbehördensprecher Norbert Smekal.

Morgen, am 3. März, soll die Familie S. abreisen.

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