: Schriftsteller entzweit
Streit auf dem Kongreß des Verbands deutscher Schriftsteller / Vorsitzende Anna Jonas zurückgetreten ■ Aus Stuttgart Dietrich Willier
Kaum, daß gestern im Stuttgarter Rathaus der Kongreß des Verbands deutscher Schriftsteller (VS) begonnen hatte, kam es schon zum Krach. Zankapfel ist der bevorstehende Beitritt des VS zur geplanten IG Medien im kommenden Jahr. Anna Jonas, bisherige Vorsitzende des VS, ist gestern bereits von ihrem Amt zurückgetreten.
Von Schlammschlacht, stalinistischem Vorgehen, von Schicksalskongreß und Spaltung war schon geraume Zeit die Rede. Die IG Druck und Papier (Drupa) - stärkste Gruppe der zukünftigen IG-Medien, schimpfte gestern VS -Vorstandsmitglied Günter Grass, sei nach wie vor eine auf Zentralismus gegründete Kampfgewerkschaft und auf die neue Mediengesellschaft nicht vorbereitet. Ein Katalog mit Forderungen des VS zum Erhalt von Selbständigkeit war von der IG Druck und Papier bisher weitgehend abgelehnt worden. Jetzt, so Grass, würde Gewerkschaftskritik auch im eigenen Verband einfach abgeschmettert, der Beitritt solle durchgepeitscht werden, gegenseitige Vorwürfe gingen bis an die Grenze der Diffamierung.
Der VS allein sei gar nicht lebensfähig, stellte dagegen der stellvertretende Drupa-Vorsitzende Detlef Hensche fest. Allein im vergangenen Jahr habe die IG Druck und Papier dreimal soviel Geld für den VS aufgebracht, wie dieser über Beiträge wieder hereingebracht habe. Dennoch, so Hensche, die Autonomie des VS bleibe verbrieft.
Einen „Appell, die Klappe zu halten“, nannte das Anna Jonas, das aber sei die Politik, gegen die man sich wehre, der dauernde moralische Appell sei unerträglich.
Noch zwei Tage wollen die 50 Delegierten des Schriftstellerkongresses sich streiten - unterbrochen von Lesungen. Am Sonntag soll über einen neuen Vorstand entschieden werden. Ob eine Spaltung zu verhindern ist, scheint mehr als fraglich. Es sei ja ins Belieben jedes einzelnen gestellt, meint ein baden-württembergischer Delegierter, den Weg in die IG Medien zu vollziehen.
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