: Schreiende Streicher
■ Heute im Schlachthof: Kronos-Quartett, schlafwandelnd zwischen E- und U-Musik
Eine zünftige Rockgruppe? Ein fabelhaftes, solides Streichquartett? Die MusikerInnen des Kronos-Quartetts aus San Francisco haben mit ihrem unkonventionellen Konzept seit nunmehr zwanzig Jahren noch immer wachsenden Erfolg: beispielhaft dafür war das Schlußstück ihrer ersten CD, die sie mit einer Adaption von Jimmi Hendrix' einstigem Hit „Purple Haze“ fulminant beendeten. In Fragen der Genauigkeit, Vitalität, und Klangreichtum machen sie dabei keine Kompromisse.
Und in der Gestaltung ihres Repertoires kennen David Harrington und John Sherba, Hank Dutt und Joan Jeanrenaud keine Grenzen. Alle falschen Berührungsängste zwischen Jazz, Rock, Pop, gesicherter und experimenteller Moderne, Minimalmusic und serieller Musik, werden so anscheinend ganz mühelos aus dem Weg geräumt.
„Unser Ziel ist es nicht, Kammermusik zu spielen, sondern Musik, die blutrot, sexy und wild sein kann. Wir waren nie nur ernsthaft, wir lieben es, Stücke zu spielen, in denen wir singen und schreien können“.
Mit dieser Einstellung und natürlich der entsprechenden Perfektion erreichen die vier beim Publikum ein Gefühl, daß noch die kompliziertesten Stücke verstehbar, wenn nicht gar vertraut klingen. Und die ungewöhnlichsten Programme werden begeistert angenommen: Terry Riley und Alban Berg, Thelonius Monk und Arnold Schönberg, Phil Glass und afrikanische Musik – nichts ist unmöglich. Unzählige Stücke sind für sie geschrieben worden und ebensoviele uraufgeführt.
Nach einer langen Wartezeit von fünf Jahren ist das Quarett wieder in Bremen und bietet im Schlachthof heute abend ein ungewöhnliches Programm. Im ersten Teil spielen sie einen Jahreszeitenzyklus des Mohikaners Brent Michael Davids und Werke von Raymond Scott, John Oswald und John Adams.
Krasser Gegensatz dazu dürften die Kompositionen der aserbaidschanischen Komponistin Frangis Ali-Sade und der Russion Sofia Gubaidulina sein: Ali-Sade verbindet experimentelle Kompositionstechniken mit der traditionellen aserbaidschanischen Musik und Gubaidulina, deren Werke sich immer außermusikalischen Einflüssen verdanken und zutiefst symbolisch zu verstehen sind, faßt das Komponieren fast als einen sakralen Akt auf.
Ute Schalz-Laurenze
Kronos Quartett, heute abend, 20 Uhr, im Kulturzentrum Schlachthof, Findorffstr.
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