standbild: Schreibende Millionäre
Themenabend „Schreiben für Millionen“, „Das Harry Potter Syndrom“, 22.20 Uhr, Arte
„Das Bestseller-Geschäft ist ein Lotteriespiel: Keiner kennt die Zauberformel“, erzählt Peter Molden vom Gustav Lübbe Verlag dem Zuschauer am Ende. Der hatte es natürlich schon lange geahnt. Und vielleicht entging ihm diese Erkenntnis sogar, weil er vorher abgeschaltet hat. Denn wer etwas über das Bestsellergeschäft erfahren wollte, kam etwas kurz bei Siegfried Austs Dokumentation „Schreiben für Millionen“. Dabei mochte man sich gar nicht entscheiden, wer der größere Geschichtenerzähler war: Aust oder die interviewten Schriftsteller.
So erzählt Michael Chrichton, er wolle eigentlich nicht Teil des „großen Geschäfts“ sein und sehe sich als Handwerker – was ihn freilich nicht hindert, 30 Millionen Dollar Vorschuss für ein Buch zu fordern. Über Isabell Allende dichtet Aust: „Mal ist sie zart, mal ist sie wild.“ Und Paolo Coelho sei ein „Star zum Anfassen“, für den jeder Mensch kostbar sei – eine Schleimspur, auf der man glatt ausrutschen könnte.
Natürlich gibt es hier und dort auch die eine oder andere Einzelheit zum Geschäftlichen. So war der Großverlag Random House nicht bereit, die von Chrichton geforderten 30 Millionen zu zahlen. Auch erfahren wir, vom Chefeinkäufer des Springer Verlages, Lothar Menne, dass die Vorschüsse, die die Top 5 kassieren von den Verlagen, nie wieder eingespielt werden. Bei Lübbe wiederum weiß man, dass der Bekanntheitsgrad der Autoren für die Verlage ganz entscheidend ist. Das ist doch schon was, mag man meinen. Aber diese zum Teil recht interessanten Einzelheiten leiden ganz schrecklich unter der allgemeinen Arschkriecherei.
Schade eigentlich. Zumal Razvan Georgescu mit „Das Harry Potter Syndrom“ direkt im Anschluss zeigt, wie man es besser macht: Schriftsteller, Literaturwissenschaftler, Sozialwissenschaftler und sogar Pfarrer kommen zu Wort – und am Ende weiß man nicht nur, warum Harry Potter so erfolgreich ist, sondern hat nebenbei auch Wesentliches über das Buchgeschäft erfahren. Und das, ohne sich von der Selbstdarstellung diverser „Literaten“ langweilen zu lassen. HEIKO DILK
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