der einzelkandidat: Schon gewonnen
André Degbeon
Charlottenburg-Wilmersdorf. Wahlkreis 4. Aus dem Glasschaukasten eines Friseursalons lacht André Degbeon von einem Wahlplakat. Er ist einer von 13 Bewerbern, die ohne Parteihilfe ins Abgeordnetenhaus wollen. Was an sich schon wie der Kampf von David gegen Goliath wirkt, hat hier noch ein spezielle Dimension: Der gelernte Radio- und Fernsehtechniker wirbt als erster Kandidat mit afrikanischer Herkunft um Wählerstimmen.
Kein leichtes Unterfangen in dem traditionellen CDU-Bezirk, wo sich der multi-ethnische Aspekt im Straßenbild auf die Pizzeria von nebenan beschränkt. Doch Degbeons Slogan ist clever: „Ich bin ein schwarzer Deutscher und das ist auch gut so!“, spielt er gekonnt auf Klaus Wowereits Outing an. Angriff ist auch hier die beste Verteidigung.
Überhaupt blickt Degbeon optimistisch auf den Wahltag: „2.000 Stimmen wären ein Erfolg.“ Den will er, der seit neunzehn Jahren in Deutschland lebt, nutzen, um mit Multikulti-Klischees aufzuräumen: „Wir können nicht nur tanzen.“
Dem Wahlkampfdebütanten, der eher zurückhaltend wirkt, merkt man den Stolz auf sein Vorreiterrolle an. Degbeon fordert vor allem ein Anti-Diskriminierungsgesetz und die konsequentere Verfolgung rassistisch motivierter Straftäter. Auch aus eigener Erfahrung: 1997 wurde er von einem Skinhead verprügelt.
Dass er die Früchte seiner Arbeit wohl nicht mehr ernten wird, ist dem politischen Alleingänger trotz seines Optimismus bewusst. Schließlich war schon das Sammeln der 45 Unterstützungsunterschriften, die man braucht, um als Einzelkandidat aufgestellt zu werden, „kein Zuckerschlecken“. Degbeon tingelte dafür nach der Arbeit durch Diskotheken und Cafés. Sein wichtigstes Ziel habe er schon erreicht, sagt er: „Aufmerksamkeit.“ BETTINA FICHTNER
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