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Schon eigenartig, dieser FC Bayern

Zumindest ein Münchner war nach dem 2:2 gegen den FC Barcelona und sein Cruyffsches System gar nicht so unzufrieden  ■ Aus München Markus Götting

Irgend etwas ganz, ganz Schlimmes muß passiert sein. Verkniffen das Gesicht, das Schweiß-Shirt noch am Leibe tragend, trat Lothar Matthäus vor die Mikrophone und Filmgeräte und hob an zum Kurzreferat über das Gewesene: Einiges habe da nicht gestimmt zwischen ihm und seinen Mitstreitern, fränkelte er genervt auf die Frage, wann denn die Entscheidung gefallen sei für seine Rückkehr ins Mittelfeld. Und er sagte, daß „wir intern darüber reden müssen, was alles nicht geklappt hat. Das werde ich nicht hier vor der Kamera machen.“ Intern? Hä? Der Hausmeistersohn aus Herzogenaurach gilt gewöhnlich als geselliger, mitteilsamer Mensch, aber nun dieses: Leitwolf-Lothar, bekannt aus den beliebten Familienserien „Das Bundesliga-TV Duell“ und „Ehen vor Gericht“, in der Rolle des einsamen Schweigers? Nur noch das (Achtung, O-Ton!) „Wunder von Barcelona“ beschwörend und eine mindestens ebenso geheimnisvolle Auswärtsstärke seines Arbeitgebers FC Bayern – und schon war er fortgelaufen, der Käpt'n.

Es ist aber eigentlich nichts Besonderes vorgefallen vor 63.000 ZuschauerInnen im Olympiastadion zu München. 2:2 haben sich der FC Bayern und der FC Barcelona getrennt, und nach den zuletzt eher bescheidenen denn brillanten Darbietungen des deutschen Rekordmeisters war auch nicht zu erwarten, daß Münchens Fußwerker Katalaniens Kicker darniederrennen würden. Insofern ist Torwächter Oliver Kahn beizupflichten, denn der fand „das Ergebnis gar nicht so schlecht, vor allem, wenn man die erste Halbzeit Revue passieren läßt“.

Ach, die erste Halbzeit, ach Barça! Das war schon amüsant anzusehen, als die Spanier Münchens edles Ensemble bisweilen herspielten wie Tanzbären. George Hagi zumal, der in den Anfangsminuten Christian Ziege derart deppert dastehen ließ, daß sich der Nationalspieler später in einem Zustand emotionaler und fußballtechnischer Verwirrung befand. Auch wenn er von Geburt und Reisepaß Rumäne ist, Hagi brachte so etwas von Samba und Sonne in den tristen Abendhimmel, und wir seufzten staunend und ein wenig besorgt und dachten bei uns, was er wohl noch anstellen werde mit dem FC Bayern.

Alsbald aber stiegen die Gastgeber ihm energisch auf die Zehen, was in solchen Fällen als teutonische Tugend gepriesen wird. Hagi zunächst neutralisiert, nicht aber die doppelpassenden Jose Maria Bakero und Oscar Garcia; letzterer traf mühelos zum 0:1.

Ein Debakel für die Münchner schien zu nahen, zumal nach der Pause auch noch Marcel Witeczek eingewechselt wurde – und der wundersam genesene Ciriaco Sforza. Der aber schlug einen famosen Paß auf Witeczek, und der dauerdilettierende Offensivmann sah sich unvermittelt Torsteher Carlos Busquets gegenüber: kurzes Zögern, Schauen, Treten – Ausgleich. Diese Aktion wurde Witeczek mitunter als routiniert und wohlüberlegt interpretiert; mutmaßlich aber wollte er den Ball nur schnell losbringen, und weil kein Anspielpartner in Sicht war, mußte er dann doch selbst schießen. Wie auch immer – Witeczek spielte plötzlich wie berauscht, gleichermaßen die Kollegen im blauroten Dreß, erst recht nach Mehmet Scholls Treffer zum 2:1 nur fünf Minuten später.

Schon eigenartig, dieser FC Bayern: In der ersten Halbzeit stümperhaft, in der zweiten aggressiv wie nie zuvor in dieser Saison. Und Barça wurde nervös. „Wir haben sie gut unter Druck gesetzt“, sagte Mehmet Scholl, „da macht jede Mannschaft Fehler.“

Den entscheidenden Fehler machte gleichwohl ein Münchner, nämlich Markus Babbel, der 15 Minuten vor dem Ende eine verwegene Steilvorlage in den eigenen Strafraum schlug, wo Hagi zum 2:2 vollstreckte. „Ein Traumpaß von Babbel“, meinte hernach Bayerns Trainer Otto Rehhagel, der seine Eleven noch weit entfernt sieht von europäischer Spitzenklasse. Das mochte Widerpart Johan Cruyff nicht dementieren, und der Barça-Coach sprach davon, seine Mannschaft hätte noch drei Tore schießen können in der überlegen und überlegt geführten Schlußviertelstunde. Das 2:2 dürfte dennoch reichen für das Rückspiel, zumal Bayern zuvor mühsame Auswärtsspiele in Mönchengladbach und Stuttgart im Terminkalender stehen hat.

Bis dahin könnte es auch schon vorbei sein mit Münchner Meisterträumen. Noch schlagen die sportlichen Totenglocken leise, aber die mediale Messe ist (in Gedanken) schon vorbereitet.

FC Barcelona: Busquets - Popescu, Guardiola, Ferrer - Celades, Amor, Oscar (51. Jordi), Figo, Roger - Hagi (80. Carreras), Bakero (75. de la Pena)

Zuschauer: 63.000 (ausverkauft)

Tore: 0:1 Oscar (15.), 1:1 Witeczek (52.), 2:1 Scholl (57.), 2:2 Hagi (77.)

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