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Schola rediviva - alternative Schule

■ „Heimvolkshochschule“ - unabhängige und selbständige Bildungsalternative / Handlungsfähigkeit und Sozialkompetenz durch basisbezogenes Lernen und Zusammenleben

Daß die Einrichtung alternativer Bildungseinrichtungen Nachbarschaftsschule, Montessorischulen - und die dringend notwendige Neubestimmung realsozialistischer Gesamtschulen nicht der regierenden Kohabitation überlassen werden kann, ist eine Einsicht, die BürgerInnen verschiedener Berufe in einer Initiativgruppe zusammenführte. Diese Initiativgruppe konstituierte sich im Februar 1990 mit dem Ziel der Einrichtung einer „Heimvolkshochschule e. V.“ auf dem Gebiet der DDR. Als basisbezogene Bildungseinrichtungen sollen sie Möglichkeiten ganzheitlichen Lernens und Zusammenlebens fördern, die im klassischen akademischen Lehrsystem nicht gegeben sind. Das schließt die akademische Polarität Lehrer

-Schüler ebenso aus, wie die Abgehobenheit einer elitären Orchideen-Schule.

Heimvolkshochschulen gab es bereits vor 1933 als Orte gemeinsamen Lebens und Lernens, als Begegnungsstätte für Menschen verschiedener Weltanschauung und als Ort der Auseinandersetzung unterschiedlicher Interessengruppen, bis für Jahrzehnte der Vorhang über alle selbständigen und unabhängigen Bildungsprojekte fiel und die zentralgesteuerte Transmissions-Schule zum totalen, endgültigen Ideal erkoren wurde.

Ein verständliches Anliegen der Initiativgruppe ist es, Formen demokratischen Umgangs zu trainieren, Handlungsfähigkeit und Sozialkompetenz zu entwickeln und dafür Veranstaltungen - als Tagungen, Seminare - zu organisieren. Kompetente und Inkompetente haben die Möglichkeit, einen oder mehrere Tage miteinander zu leben, ins Gespräch zu kommen. Auch mehrmonatige Seminare sollen als zum Beispiel berufsbildende, berufsbegleitende Angebote durchgeführt werden.

Die Idee der Wiederbelebung kommt aus Dänemark und der BRD, wo die Heimvolkshochschulen ländermäßig organisiert sind und inzwischen aus der bildungspolitischen Landschaft nicht mehr wegzudenken sind. Den Evangelischen Akademien vergleichbar, laden sie zu aktuellen Themen, die mit dem Alltag der Menschen in engem Zusammenhang stehen, Gesprächspartner ein. Es gehört zum Profil dieser Schulen, daß ihre Tagungen auch in anderen Ländern durchgeführt werden können beziehungsweise von internationalen Gesprächspartnern mitgetragen werden. Auch die Kinderbetreuung soll gesichert sein, wenn Familien an den Veranstaltungen teilnehmen möchten.

Einen wesentlichen Vorteil vor anderen Einrichtungen, zum Beispiel der Volkshochschulen, sieht Burkhard Batze, einer der Mitbegründer, in der „Gesamtheit von Leben und Lernen“: „Vorrang hat die Gruppe - hier soll kein Ort für Psychokisten sein, sondern für die Begegnung von Frauen, Männern und auch Kindern, die Antworten auf komplexe Fragen und Probleme suchen, die in unserer Gesellschaft nicht mehr individuell zu beantworten und zu lösen sind.“

Die Gründungsveranstaltung für die „Heimvolkshochschule e. V.“ findet am 21. 4. 1990, 13.30 Uhr in den Räumen der Evangelischen Verheißungsgemeinde, Finowstraße 25, 1035 Berlin, statt. Die ersten Seminare - enges zu kulturpolitischen Fragen, ein Seminar Wehrpflichtiger aus verschiedenen Ländern - sind bereits ausgebucht.

Daß die Heimvolkshochschulen nicht einseitig von bestehenden Bildungskonzepten profitieren, versteht sich. So meldete der FB Erziehungswissenschaften der Uni Jena sein Interesse für eine Mitarbeit an, und es ist zu hoffen, die Erfahrungen der neuen Bildungseinrichtung werden auch in den staatlich sanktionierten Bildungskonzepten Eingang finden.

Jörg-D. Gemkow

Kontakt:

Initiativgruppe zur Gründung einer Heimvolkshochschule in der DDR,

c/o Burkhard Batze

Jessner Straße 35

1035 Berlin

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