: Schönes Stahlregal
betr.: Palast der Republik
Bilderstürmerisch und antiaristokratisch ließ Ulbricht die kriegsbeschädigte Schlossruine wegräumen. Später ließ er sich gegenüber E. v. Göthes Westportal, das wiederum Schlüters Portal wiederholt hatte, einschließlich der restaurierten Fassadenplastik-Originale wieder aufbauen. Da steht es nun.
Honecker ließ danach einen aufwändigen Zweckbau errichten, der im Inneren großzügig, überorganisiert und offiziös-bieder sich präsentierte. Dieses Innere ist weg. Es steht jetzt ein solides, in seiner Neutralität und Sachlichkeit schönes Stahlregal da, umgeben und geschützt von einer zerschlissenen Vorhangfassade. Diese in einer Wanne stehende Konstruktion ist brauchbar, umbaubar, anbaubar, teilabreißbar und insofern wertvoll. Das sollten gut bezahlte Angestellte eines hoch verschuldeten Staates bitte bedenken. Diese Struktur soll dennoch weg. Man will neu beginnen. Eine neue alte Fassade weiß man schon, die Schlossfassade. Inhalte weniger.
Fällt Bürgern des 21. Jahrhunderts nichts Besseres ein, als mit großteils industriellen Methoden sicherheitshalber die Hülle einer feudalen Residenz nachzubauen? Gibt es kein Vertrauen in moderne, nicht modische oder postmodernistische, also qualitätsvolle Architektur? Ist nicht der Pei-Bau in der Nähe ein hervorragendes angepasstes wie souveränes Beispiel? JOACHIM DOESE, Berlin