■ NOCH 3327 TAGE BIS ZUM JAHR 2000: Schöner Wohnen nach dem Tode
Nach wie vor gibt der klassische Holzsarg bei den Erdbestattungen den Ton an. Schließlich ist nach Ansicht der Bestattungsunternehmen Holz noch immer das geeignetste Material — nicht nur um den Verstorbenen zu transportieren, sondern auch für die letzte Ruhestätte unter der Erde. Versuche mit anderen Werkstoffen, etwa mit Papier oder Pappe, sind alle fehlgeschlagen. Selbst bei der Feuerbestattung sei Holz nicht adäquat zu ersetzen, meinen die Leichenheinis. Allerdings werde hier häufiger nicht das edelste Material (gemeint ist das Holz aus den sterbenden Regenwäldern) verwendet. Trotzdem, billig ist die letzte Wohnung nicht, ob Kupferurne oder Edelholzsarg: im Durchschnitt kosten Beerdigungen bei uns zwischen 4.000 und 5.000 Mark.
Seebestattungen sind zur Zeit wieder out. Vor allem die Möglichkeit der Beisetzung auf anonymen Feldern auf den deutschen Friedhöfen hat die Zahl der Seebestattungen reduziert. Sehr unterschiedlich sind auch die regionalen Gegebenheiten und Gewohnheiten bei den düsteren Ritualen. In Berlin etwa ist der Beruf des Grabredners ein lukratives Metier, in Düsseldorf hingegen will kein Mensch die Quasselstrippen mit den Leichenbittermienen hören. Überhaupt ist der Tod nicht nur ein Meister aus Deutschland, sondern auch ein Riesengeschäft. Die rund 3.000 Bestattungsunternehmen in Westdeutschland werden in diesem Jahr ca. 3,5 Milliarden Mark umsetzen. Dabei sehen sich die Bestatter nicht nur als Kaufleute, denn das eigentliche Verkaufsgespräch sei in fünf Minuten abgewickelt, behaupten sie. Ein zeitgemäßer Beerdigungsfachmann sei auch Psychologe, Handwerker, Werkstoffachmann und vieles mehr. Und sie gehen mit der Zeit, denn der Trend weist zur individuellen Beerdigung; die Entsorgungsmentalität nimmt ab. Das hat der Bundesverband des Deutschen Bestattungsgewerbes beobachtet. Während sich ihre Kollegen in den östlichen Bundesländern, einst ausgerüstet mit dem Staatsmonopol „Erdmöbel“, gerade umorganisieren und die Leute jetzt mit privaten Händen unter die Erde bringen, macht sich die — eigentlich äußerst konservative — Branche im Westen Gedanken über die Zukunft des Todes. Neue Sargformen sollen her. Wie auf der Bestattungsfachmesse „Befa 90“ in Düsseldorf bekannt wurde, sind „Designersärge“, Diplomarbeiten von Studenten, in Auftrag gegeben worden, um den Sarg von morgen zu konzipieren und das Wohnen nach dem Tode moderner zu gestalten. Karl Wegmann
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