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„Schönen Dank, Herr Krautzun“

Nach Mißtrauensvotum des Spielerrats: Trainer des FC St. Pauli tritt zurück  ■ Von Clemens Gerlach

Noch vor wenigen Tagen verkündete Eckhard Krautzun: „Ich will länger in Hamburg bleiben und nehme mir eine Wohnung.“Den Umzug vom Hotel in eine dauerhafte Bleibe kann sich der 56jährige sparen. Gestern trat der Trainer des FC St. Pauli zurück. „Die Vertrauensbasis zur Mannschaft ist nicht mehr da“, erklärte der Fußballehrer auf der bestbesuchten Pressekonferenz in der Geschichte des FC.

Der Übungsleiter mit den mittlerweile fast 30 verschiedenen Arbeitsstationen mochte sich – im Gegensatz zum Spielerrat („Kein Konzept zu erkennen“) – nichts vorwerfen. „Ich habe ein gutes Gewissen, die Umstände zwingen mich“, meinte der Maslo-Nachfolger, in dessen fünfmonatiger Amtszeit der Zweitligist vom Aufstiegs- zum Abstiegskandidaten avancierte. Vorerst wird Co-Trainer Gerhard Kleppinger Krautzuns Job übernehmen. Bereits heute gegen Uerdingen hat der vormalige Adjutant seinen ersten Chefeinsatz.

Präsident Heinz Weisener („Schönen Dank, Herr Krautzun“) war bereits am Mittwoch abend mit seinem ehemaligen Angestellten in Klausur gegangen. Zuvor hatte der sechsköpfige Kicker-Betriebsrat unter Leitung von Kapitän Carsten Pröpper dem Vereinsboß sein Leid geklagt. Dabei sei es, so Weisener, um „wechselnde Aufstellungen“und andere Unannehmlichkeiten im Alltag eines Berufsfußballers gegangen. Für den Präsidenten – „erster Eindruck: Zerrissenheit“– kamen die Vorwürfe „über Nacht. Vorher hatte es ein einmütiges Votum für Krautzun gegeben.“Noch verwunderter reagierte Weisener („Es liegt nicht nur am Trainer“) darauf, daß der Mannschaftsrat seine Aktivitäten zuvor nicht mit dem Gros der Spieler abgesprochen hatte. Beim Gespräch am Mittwoch mittag sei er aber davon ausgegangen, daß die Delegation „für die gesamte Mannschaft spricht“. Arbeits-rechtliche Schritte gegen das eigenmächtige Sextett wollte Weisener, der vor Wochen ein Rücktrittsangebot Krautzuns abgelehnt hatte, nicht ausschließen: „Es wird noch einiges zu bereden geben.“

Weniger galant formulierte es der ob der Verweigerungshaltung seiner vormaligen Untergebenen „überraschte und enttäuschte“Krautzun: „Einige Halbmillionäre verpissen sich.“Anstatt den Mut zu besitzen, zum Trainer zu kommen, seien die Spieler gleich zum Präsidenten gerannt. „Wieder etwas gelernt“, gestand der nach eigenem Bekunden „alte Trainerfuchs“, der noch zwei Monatsgehälter kassiert, auf weitere finanzielle Ansprüche aber verzichtet: „In dieser Branche kann man kaum jemandem trauen.“

Daran, daß der künftige sportliche Leiter „die Misere“beenden kann, hegt Weisener „sehr große“Zweifel: „Die Hauptsorgen liegen noch vor uns.“Schon die Trainersuche werde schwer. Gestern nachmittag sagte Aleksandar Ristic ab.

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