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Schöne große Nase

Eine Hamburger Modelagentur sucht Menschen, die nicht schön, aber markant sind  ■ Von Christine Holch

Wer zu dieser Model-Agentur geht, braucht keinen kritischen Blick auf seinen Bauchspeck, die abstehenden Ohren oder ähnliche Problemzonen zu befürchten. Im Gegenteil: „Welch schöne lange Nase“, sagt Sabine Deh und zeigt in ihrem Katalog auf das Foto eines jungen Mannes mit, pardon, Riesenzinken. Sabine Deh ist Geschäftsführerin der Agentur „Markant“, die zu Jahresbeginn in Hamburg eröffnet hat.

„Markant“sucht Menschen von „skurril bis ganz normal“und vermittelt sie zum Beispiel an Werbeagenturen. Eine Marktlücke, meint Sabine Deh. Ob Müllermilch, Flensburger Bier oder Jägermeister – händeringend suchen Firmen nach DarstellerInnen, die alles sind, nur nicht schön. Bislang decken sie sich vorwiegend im Ausland ein. In London etwa gibt es die Agentur „Ugly showbiz“, in Paris „Quasi modo“.

Der Bedarf ist groß, seit die Werbung immer häufiger versucht, witzig zu sein. Da werden Männer gesucht, die wie biedere Bankangestellte aussehen – oder wie Bankräuber. Frauen werden gebraucht, die gut die Schlampe geben können oder auch die naive blonde Maid; dann wieder wird dringend nach einer Glatzköpfigen gefahndet oder nach über und über Gepiercten.

Manche ihrer Models findet Sabine Deh auf der Straße. So wie den jungen Türken Levent Y., der im Imbiß seines Onkels im Schanzenviertel arbeitet. Ein liebenswürdiger junger Mann mit allerdings etwas hervortretenden Augen. Davon sagte Sabine Deh ihm nichts. Sie sprach nur davon, daß sie „außergewöhnliche“Leute suche. Das gefällt. „Bisher hat sich noch keiner auf den Schlips getreten gefühlt.“

Die meisten Models aber haben sich von alleine an die Agentur „Markant“gewandt. Leute zum Beispiel, die bereits als KleindarstellerInnen im Schauspielhaus und im Thalia arbeiten. So wie Peter K.. Ein drahtiger kleiner Mann mit äußerst beweglichem Mund. Der habe jüngst auf der Bühne „ganz toll den Irren gegeben“, erzählt Deh. Oder Reinhard F., der nebenberuflich schon mal einen Einbrecher mimte in „Die Kriminalpolizei rät“.

Andere scheint die schiere Not zu „Markant“zu treiben. Etwa den arbeitslosen Kaufmann, der seine Fettleibigkeit zu vermarkten sucht. Säuberlich hat er im Begleitschreiben an die Agentur seine Körpermaße aufgelistet, vom Kopf- bis zum Oberschenkelumfang.

Mancher Neuling hat dagegen ein nicht ganz realistisches Selbstbild. So wie jener Jüngling mit dauergewellter Mähne, der sich für „super, toll, schön“halte, erzählt Sabine Deh – er werde sich aber wohl eher als 70er-Jahre-Relikt vermarkten lassen. Abgelehnt hat die Vermittlerin bislang nur die zu Schönen. Und einen verlotterten Mann. Häßlich dürfen die Models sein, keinesfalls aber ungepflegt.

Viele Männer bewerben sich, Frauen dagegen sucht Sabine Deh noch. „Vielleicht fällt es Frauen schwerer, ihre markanten Körperteile als interessant anzusehen, als Profit geradezu.“Gern hätte die Geschäftsfrau ganz dünne oder ganz große Frauen in ihrer Kartei, eine mit einem riesigen Mund oder mit ganz vielen Sommersprossen – „einen Pippi-Langstrumpf-Typ“.

Leben kann man von all dem nicht. Das Modeling könne immer nur ein „Zubrot“sein, erklärt Deh. Und für professionelle Promo-Fotos muß die Aspirantin erst einmal 100 Mark zahlen. Wird sie dann gebucht, bekommt sie 400 Mark für den halben Tag, 800 für den ganzen. Das ist immerhin mehr als die 150 Mark, die Talkshows zahlen. An „Talkhunter“, die der Agentur die Tür einrennen, vermittelt Deh grundsätzlich nicht. „Die verheizen die Leute nur.“Respekt muß schon sein, auch gegenüber den weniger Schönen.

Agentur „Markant“, Fruchtallee 7, 20259 Hamburg. Tel. 43 25 36 20.

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