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Schöne alte Eisenbahnwelt

■ An Hamburgs Dieselloktankstelle weht der Hauch der Nostalgie Von Kerstin Gerke

Behutsam schiebt sich die schwere rote Diesellokomotive in den engen Hinterhof. An einem Wellblechunterstand, der eine altmodische Tanksäule beherbergt, kommt sie schnaubend zum stehen. Ein Kindertraum: schwarze Schienen, rote Lokomotiven, blaue Container und ein Geruch von großer weiter Welt. Wir sind nicht im Keller eines Hobby-Eisenbahners, sondern mitten in Hamburg, am Högerdamm.

Alfred Schlei arbeitet seit zwanzig Jahren als Tankwart für Lokomotiven auf dem Betriebshof Hamburg-Hauptbahnhof. Ein kleiner Mann um die fünfzig im schwarzen Arbeitsanzug, mit blitzenden Augen, das Gesicht von vielen Falten durchzogen. Er wirkt, als wäre der Diesel schon durch seine Haut gesickert. Auch auf dem Gelände erinnern der ölige Geruch und kleine glänzende Pfützen an die Allgegenwart des Kraftstoffs. Das ist nicht die Welt des weißen ICE, der mit seinem roten Streifen steril durch die Landschaft jagt.

Die Lokomotiven kommen nach einem festgelegten Zeitplan zum Tanken und für kleinere Wartungsarbeiten. Nur zwei bis drei der riesigen Maschinen finden gleichzeitig auf dem Hinterhof Platz, der von Lagerhallen und dem Bahndamm mit den Abstellgleisen begrenzt wird. Etwa 20 Minuten dauert es, bis die bis zu 5000 Liter fassenden Loktanks gefüllt sind. Gelegenheit für den Austausch von ein paar Wortfetzen. Schlei da unten – die Lokomotivführer oben. Man kennt sich.

Alfred Schlei ist wortkarg. Doch bei der Frage, ob ihm sein Job gefällt, erstrahlt sein verwittertes Gesicht: „Große Klasse.“ Und weil das vielleicht noch nicht reicht: „Alles vom Feinsten!“ Stolz zeigt er dabei auf die blaugelbe Lokomotive, die er gerade betankt.

Links der Einfahrt zum Betriebshof prangt in fetten roten Lettern das modernisierte Logo der Deutschen Bahn DB an einem Bürogebäude. Der Parkplatz davor ist voller Wagen der Ober- und Mittelklasse aller Marken. Park&Ride anderer Art: Wenn die Loks auf den Gleisen geparkt sind, satteln die Zugführer auf den Autofellsitz um.

Neben solchen untrüglichen Zeichen der Moderne ein Bild wie aus dem Märklin-Katalog: Runde maisgelbe Schilder markieren die Hebel der Weichen, die Alfred Schlei viele Male am Tag per Hand umstellt. Auf seinem Weg vorbei an den schmierigen Rohren der Tankstelle, über ölige Kiesel zu den Weichen und zurück in seine Bürobaracke zum Telefon sieht er hundert mal den Hinterhof mit blau gestrichenen Rohren, Tanks und Wellblechcontainern. Vier rote Lokomotiven sind am Rande des Hofes geparkt, stören den Rangierbetrieb nicht, während sich in ihren Fensterscheiben das Blau des Himmels spiegelt.

Gegenüber Tristesse und Verfall. Von grauen Dieselcontainern führen dicke Rohre zur Zapfsäule. Lagerhäuser träumen mit zugemauerten Fenstern in allen Stadien des Zerfalls. Dieselgeruch hängt über dem Platz.

Von der Straße aus würde niemand hier eine Eisenbahneridylle vermuten. Die adretten blauen Container und der weiße Büroneubau lassen das Gelände wie einen gut aufgeräumten Lagerplatz erscheinen. Der Straßenlärm von Högerdamm und Amsinckstraße übertönt die Geräusche auf dem Betriebshof.

Tankwart Alfred Schlei grüßt einen Lokomotivführer und legt die Weiche um, damit die schwere Lok weiterfahren kann. Dann geht er zu seinem flachen Bürocontainer und kündigt das Kommen der Lok bei der nächsten Leitstelle telefonisch an. Der Lokführer zeigt sich gegenüber Schlei schon fast geschwätzig: „Einen ICE zu fahren, das ist einfach, aber eine Diesellok, das ist noch eine richtige Aufgabe“. Und dann kommt die Frage. „Willst Du mitfahren?“

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