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Schön ist das nicht...

■ ..., daß viele Kinder dick sind und schlechte Zähne haben / Schuld ist ungesundes Schulbrot Von Sannah Koch

Früher standen sie in der großen Pause beim Bäcker gegenüber Schlange: Negerkuß-Brötchen hieß der Mega-Hit, mit dem Schülermägen bis zum Mittagessen besänftigt wurden. Bis heute hat sich nur wenig geändert: Heute essen SchülerInnen NegerInnenkuß-Brötchen – gesünder sind dabei allerdings weder die Brötchen noch die Kids geworden. Zu viele dicke Kinder mit zu schlechten Zähnen, diese Negativbilanz mußte die Hamburger Verbraucher Zentrale (VZ) dementsprechend gestern verkünden.

Schuld daran ist eine immer noch wenig gesundheitsförderliche Schulverpflegung: Eine aktuelle Umfrage der VZ in über hundert Hamburger Schulen belegt, daß der Feldzug von Cola, Würstchen, Süßigkeiten und Weißmehlbrötchen zwar gebremst, aber noch immer nicht gänzlich gestoppt ist. Nach Auskunft von Barbara Schütze, Mitarbeiterin der Schulbehörde, wünschen sich 90 Prozent der SchülerInnen ein richtiges Pausenbrot und nur zehn Prozent Süßigkeiten, doch trotzdem werden 40 Prozent mit ungesunden Nahrungsmitteln aus dem Haus geschickt.

Aber nicht nur bei Eltern, sondern auch bei SchulleiterInnen hat sich das Wissen um eine vollwertige Ernährung offenbar noch nicht durchgesetzt. Obwohl die Schulbehörde bereits 1992 eine Empfehlung für eine ausgewogene Schulverpflegung herausgegeben hat, wird diese derzeit nur von 28 Prozent der befragten Schulen voll eingehalten, 15 Prozent orientieren sich überhaupt nicht daran. So wundert es kaum, daß in Schulkiosken zwar viel Milch und Früchtetees, aber auch viel Limo und gesüßte Milchmixgetränke angeboten werden. Auch die inzwischen häufig verkauften Fruchtjoghurts bieten wenig Grund zur Freude, da sie zumeist gezuckert sind und mit Aromastoffen zubereitet werden. Wenig beliebt sind hingegen frisches Obst, Rohkost oder vegetarische Gerichte, dafür bieten die Schulen bei den warmen Mahlzeiten um so häufiger Fleich und Würstchen an.

Grund genug für VZ-Mitarbeiterin Silke Schwartau-Schuldt, die Schulbehörde aufzufordern, ihre Verpflegungs-Empfehlungen in einen verbindlichen Erlaß umzuwandeln. „Nur so können Eltern und Schulen in die Pflicht genommen werden, die Schulkinder gesund zu ernähren.“

Doch das hört die Schulbehörde nicht gerne. Pressesprecher Ulrich Vieluf bemühte erzieherische Argumente: „Eine Pädagogik des erhobenen Zeigefingers würde unsere Bemühungen konterkarieren.“ Ein „Müsli-Erlaß“ treibe die Kids vielmehr in Tante-Emma-Läden und Fritten-Buden. Der VZ-Forderung nach mehr Mitbestimmung der SchülerInnen und mehr Aufklärungsarbeit mochte er sich hingegen nicht verschließen.

Derweil übt sich die Umweltbehörde in Pragmatik: Sie bietet Kindergärten und Schulen jetzt einen Lieferservice für ökologisch angebaute Äpfel aus Hamburgs Umland an. Die Mindestbestellmenge liegt bei zwölf Kilogramm, der Apfel kostet pro Stück und Größe zwischen 30 und 60 Pfennig (Infos unter Tel.: 24 86 51 01). Ob die Kleinen es goutieren werden?

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