Kommentar: Schön indiskret
■ Machtpolitik mit Rechnungshofbericht
Wenn es keine undichten Stellen im Staatsapparat gäbe, dann würden die Bürger kaum einmal die Wahrheit darüber erfahren, wie sie regiert werden. Großes Lob also für jeden kleinen Beamten, der indiskret den Kopierer bedient. Daß auch kleine Beamten mit ihren Indiskretionen nicht immer nur uneigennützig staatsbürgerliche Moral verbinden, sondern hin und wieder auch eigene Ziele verfolgen, ist klar. Spannendste Frage unter Politikern ist daher nach jeder Indiskretion: Wem nützt das? Wer könnte hier was gefingert haben?
Im Falle des Rechnungshof-Prüfauftrages über Staatsrat Reinhard Hoffmann, den starken Mann hinter Scherf, war klar, daß diejenigen CDU-Kreise daran Interesse haben mußten, die den Schmuse-Kurs Nölles torpedieren wollen. Offenkundig war auch, daß in den ersten Veröffentlichungen die Bemerkungen des Rechnungshofes, die die mangelnde Aufsicht des Finanzressorts aufgreifen, nicht thematisiert werden.
Wenn Nölle die weiteren Ermittlungen nach der undichten Quelle in seinem Hause untersagt hat, dann steckte offenbar dahinter nicht nur eine radikale Verteidigung der Pressefreiheit, sondern auch eine gehörige Portion CDU-Schutz. Vorbildlich wieder der Mut der Beamten, die den Verdacht nicht auf sich sitzen lassen wollten und damit letztlich natürlich ihren politisch verantwortlichen Senator in Bedrängnis gebracht haben. Klaus Wolschner
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