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Schneller wohnen, leicht gemacht

■ Mitwohnzentralen schießen seit dem letzten Jahr wie Pilze aus dem Boden

Über Mangel an Besuch kann Christian K. aus Schöneberg nicht klagen. Besonders ein smarter Kolumbianer aus Paris, ein Bildhauer aus Frankfurt und eine polnische Theaterschriftstellerin sind ihm in angenehmer Erinnerung. Meistens sind es jedoch paarweise anrückende Jungwessis, die er gegen Bezahlung ein paar Nächte bei sich einquartiert. Da bleibt es dann beim flüchtigen Small-talk. “ Erfahrungen der unangenehmen Sorte hat er noch nicht gemacht, dafür haben seine Gäste schon jede Menge Handschuhe, Hemden und Hosen vergessen. Was sie darüberhinaus an Barem dalassen - pro Nacht und Nase im Durchschnitt 20 Mark (inklusive Frühstück) - kann Christian K. als Mietzuschuß für seine helle und geräumige Zweizimmerwohnung gut gebrauchen.

Er ist einer von 200 BerlinerInnen, die derzeit ein oder mehrere Zimmer ihrer Wohnung tageweise zur Vermietung anbieten. Die meisten von ihnen offerieren gleichzeitig bei mehreren der mittlerweile acht Mitwohnzentralen, die seit Januar 1987 allein in Berlin aus dem Boden geschossen sind. Das Hauptgeschäft der Zentralen, von denen zwei ausschließlich weibliche Kundschaft ansprechen, liegt in der Vermittlung von Zimmern und Wohnungen für ein bis zwei Monate sowie der tageweisen Unterbringung von Berlin -BesucherInnen.

Gesetzte Damen und Herren sind jedoch selten unter der Kundschaft. Unter 40 sind fast alle Anbieter und Benutzer; der Umgangston ist salopp, das Milieu alternativ bis akademisch. In der Regel profitieren alle Beteiligten von dem Vermittlungsgeschäft: Wer befristete Jobs in der Stadt erledigen muß, auf Wohnungssuche ist oder einfach nur Urlaub macht, findet eine vergleichsweise preiswerte Bleibe. Umgekehrt muß daheim keine Miete zahlen, wer sich im Süden am Strand räkelt. Die Mitwohnzentrale schließlich kann Provision kassieren, je nach Dauer des Mietverhältnisses und Ausstattung der Wohnung bis zu sechs Prozent der Jahreskaltmiete.

Neben Ostern, Weihnachten und den Sommerferien herrscht auch während des Semesteranfangs großer Andrang. Uni -Magazine empfehlen inzwischen Mitwohnzentralen als erste Anlaufstelle für wohnungssuchende Erstsemester. Relativ hoch ist auch der Anteil an Ausländern - besonders Aussiedlern unter der Kundschaft. So bieten die Mitwohnzentralen eine Nische für jene, die auf dem Wohnungsmarkt traditionell einen schweren Stand haben.

Zweifellos ist der ungestillte Hunger nach preiswertem Wohnraum ein wesentlicher Grund für ihren komentenhaften Aufstieg am Wohnungsmarkt - machen sie deshalb Geschäfte mit der Wohnungsnot? Matina I. von der Kreuzberger Mitwohnzentrale: „Früher lief die gleiche Chose über Annoncen. Das war umständlich und unsicher. Bei uns werden alle mit Personalien registriert, außerdem haben wir eine höhere Trefferquote.“ Daß UntermieterInnen auf den Wollteppich scheißen oder die Videoanlage mitgehen lassen, kommt zwar äußerst selten vor, macht aber den Wunsch nach Sicherheit verständlich. Häufiger schon ist der Telefonmißbrauch: Gäste führen stundenlange Gespräche ins Ausland und verschwinden, ohne zu bezahlen. Wegen der schwierigen Beweislage hilft in solchen Fällen nur das abschließbare Telefon als Präventivmaßnahme.

Doch auch unter den AnbieterInnen gibt es schwarze Schafe: Neulich knüpfte ein Wohnungsbesitzer gleich mehreren Untermietern die halbe Jahresmiete im voraus ab und tauchte danach unter. Zudem steht es nicht immer zum besten mit der Sauberkeit der angebotenen Räume. Aus Zeitgründen verzichten die Mitwohnzentralen in der Regel auf Vorabbesichtigungen und sind daher auf die Resonanz der KundInnen angeweisen. Ablehnen dürfen beide Seiten, wenn's an Sympathie mangelt. Pro Angebot werden in der Regel vier bis fünf Leute geschickt, bis ein Mietverhältnis zustandekommt. Danach ist die Zentrale juristisch aus dem Schneider: Etwaige Streitigkeiten müssen die beiden Mietsparteien untereinander austragen. Doch - so der allgemeine Tenor - vertragen sich die Leute in der Regel ganz gut; mitunter sogar zu gut, etwa wenn sich AnbieterInnen und BenutzerInnen absprechen, um Provision zu sparen.

Weniger gut hingegen vertragen sich die Mitwohnzentralen untereinander (siehe taz vom 29.8.). Die Konkurrenz wird härter, der Markt wächst in dem Maße, wie neue Zentralen eröffnen. Daß sich überhaupt noch neue ins Geschäft wagen, wundert Peter S., den Inhaber der Mitwohnzentrale Wiener Straße. „Ich schufte hier für 6,25 Mark in meinem eigenen Laden.“ Selbst wenn es während der Saison ein paar Mark mehr werden - Goldgruben sind die Mitwohnzentralen nicht. Eher Fundgruben auf die Schnelle, ganz im Stil der Zeit.

Ulf Mailänder

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