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Schneeflöckchen, Weißröckchen ...

■ Kaum muckt der Winter etwas auf, beschwören alle das Chaos statt Heinz Erhardt Von Sven-Michael Veit

Schneeflöckchen, Weißröckchen – und nicht zu knapp. In Norddeutschland muckt, wie der Kalender es vorsieht, der Winter ein klein wenig auf. Und anstatt sich eines herzerwärmenden Bonmots von Heinz Erhardt zu erinnern – „Mein Haus ist fest verschlossen, ich hab'ihn angeschmiert. / Nun steht der Winter vor der Tür – und friert.“ – schwafeln alle von Chaos und Katastrophe.

In Hamburg war seit Montag abend die Stadtreinigung die ganze Nacht lang im Einsatz und salzte jede Straße, derer sie habhaft werden konnte. Der Berufsverkehr gestern morgen ging deshalb noch relativ zivilisiert über den Asphalt. Auf dem Hamburger Flughafen kam es zu Verzögerungen. In der Nacht und am gestrigen Vormittag mußte die Start- und Landebahn in Fuhlsbüttel mehrmals gesperrt werden, um sie von Schnee und Eis zu befreien.

Nördlich von Hamburg wurden gar Erinnerungen an den als „Katastrophenwinter“ in die Annalen eingegangenen Jahreswechsel 1978 / 79 wach, als tagelang ganze Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten waren. Vor allem entlang der Ostseeküste zwischen Flensburg und Lübeck, wo meterhohe Schneebarrieren das von der bislang letzten Eiszeit modellierte Hügelland zierten, kämpften Schneepflüge und schweres Räumgerät bis gestern nachmittag wider die Natur, was der Dieseltank hergab.

„Der Wind ist unser Hauptproblem. Wo die Schneepflüge durchkommen, ist nach einer Stunde trotzdem wieder alles dicht“, seufzte ein Polizeisprecher im Kreis Plön, der neben Flensburg, Kiel und Ostholstein am härtesten betroffen war. Im Norden des Kreises Plön wurde ein Fahrverbot verhängt, dort sowie in Eutin und auf Fehmarn wurden Katastrophenschutz-Stäbe eingerichtet. „Entlang der Ostseeküste ist in einem rund 20 Kilometer breiten Streifen der Verkehr völlig zusammengebrochen“, sagte ein Sprecher des Lagezentrums in Kiel. Autobahn, Bundes- und Landesstraßen waren erst im Laufe des Vormittags wieder befahrbar.

In Kiel und Lübeck konnte der Busverkehr erst am Mittag wieder aufgenommen werden. Die Deutsche Bahn stellte den Zugverkehr auf der Strecke Rendsburg-Kiel ein. Zahlreiche Zugverbindungen verkehrten mit Verspätungen von bis zu eineinhalb Stunden. An der Ostseeküste bestand auch gestern noch Sturmflutgefahr. Erst heute soll der Nordoststurm nachlassen, der mit Stärke 8 bis 10 das Wasser in die Buchten drückte. In Flensburg, Kiel und Lübeck wurden ganze Straßenzüge überflutet und Eisschollen gegen Hauswände gedrückt. Überschwemmungen wurden auch am Fehmarnsund gemeldet.

Probleme schaffte der starke Ostwind auch an der Nordsee: Er drückte das Wasser weg und sorgte für Niedrigwasser. Dadurch wurde die Fährschiffahrt im nordfriesischen Wattenmeer stark behindert. Es kam zeitweise zu Ausfällen und erheblichen Zeitverzögerungen.

Trotz des Schnees hatten die Skifans am Bungsberg, der mit 168 Metern höchsten Erhebung des Landes, schlechte Karten. Da kaum jemand sich bis zum Berg durchkämpfen konnte, wurde der Skilift gar nicht erst in Betrieb genommen. Lawinengefahr soll allerdings nicht bestanden haben.

Uneingeschränkt positive Seiten konnten vor allem Kinder der Witterung abgewinnen: In ganz Schleswig-Holstein gab es gestern schulfrei.

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