: „Schmutziger Reaktionär“ Liu Binyan
■ Parteiblatt hetzt mit dem Vokabular der Kulturrevolution / Der international bekannte Schriftsteller und Journalist hatte nach dem Massaker von Tiananmen-Platz zu Wirtschaftssanktionen gegen China aufgerufen
Peking (ap/afp/taz) - Die Diktion der volkschinesischen Propaganda wird der aus den Tagen der Kulturrevolution (1966 -1976) immer ähnlicher. Der chinesische Journalist und Schriftsteller von internationalem Ruf, Liu Binyan, ist gestern erstmals von der kommunistischen Partei als „Verräter der Nation“ bezeichnet worden, da er nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung im Juni zu Wirtschaftssanktionen gegen China aufgerufen hatte. Ende der sechziger Jahre waren die Intellektuellen als „stinkende Nummer neun“ Verfolgungen ausgesetzt.
Unter dem Titel „Enthüllung des schmutzigen, reaktionären Gesichtes von Liu Binyan“ beschuldigte die Parteizeitung 'Renmin Ribao‘ ('Volkszeitung‘) den Dissidenten, gemeinsame Sache mit Oppositionellen im Exil zu machen und eine „Spielfigur im Dienst der Strategie des internationalen monopolistischen Kapitalismus“ zu sein, der aus China eine „bürgerliche Republik“ machen wolle. Der 62jährige Liu befindet sich seit März an der amerikanischen Harvard -Universität. Im Januar 1987 war Liu aus der kommunistischen Partei ausgeschlosen worden, zur gleichen Zeit wie der Physiker Fang Lizhi. Während Liu jedoch bis zum Sommer seine Solidarität mit der Partei bekundete, kritisierte Fang seit Jahren die KP. Fang war nach dem Massaker in die US -Botschaft in Peking geflüchtet.
Begleitet wird das Propagandaorchester von einer Kampagne gegen Korruption, die auf Denunziation und Selbstanzeige setzt. So haben mehr als 1.500 Menschen in Peking und Schanghai Wirtschaftsverbrechen gestanden. In Zeitungen hieß es, sie hätten auch Unterschlagungen und die Annahme von Bestechungsgeldern bekannt.
Der Oberste Volksgerichtshof und die Oberste Volksstaatsanwaltschaft hatten am 15. August bekanntgegeben, wer sich wegen Wirtschaftsverbrechen bis zum 31.Oktober den Behörden stelle, könne mit einer milden Bestrafung rechnen. In einem Bericht der englischsprachigen Zeitung 'Beijing Daily‘ hieß es, die schuldigen Geschäftsleute und Beamten in Peking hätten sich durch Unterschlagungen und die Annahme von Bestechungsgeldern um umgerechnet 1,006 Millionen Dollar bereichert. Sie hätten die Gelder unter anderem in chinesischer, amerikanischer und ja panischer Währung angenommen. 389.000 Dollar seien zurückgegeben worden. Die Zeitung 'Xinmin‘ berichtete aus Schanghai, dort hätten sich Mitarbeiter um 7,7 Millionen Yuan (rund vier Millionen D-Mark) bereichert. Vier Millionen Yuan seien zurückgegeben worden.
kremb
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