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Schmalspurdenken

■ Die BVG und die Nacht-U-Bahn

KOMMENTAR

Berlin hat traditionell kleine Staaten im Staat. Einer davon ist die BVG. Ganze Generationen von Senatoren haben dies lernen müssen. Wenn beispielsweise den Busfahrern der Pausenkaffee nicht mehr schmeckt, weil Hinz und Kunz nicht mehr brav vorne einsteigen müssen - dann helfen weder politische Beschlüsse noch Vernunft noch weltweite Erfahrungen: Die hintere Türe wird wieder zugemacht, die Fahrgäste machen wieder Männchen.

Ähnliches zeichnet sich nun beim zarten Pflänzchen Nachtverkehr ab: Irgendwo im dicken Bauch der BVG grummelt's. Gäbe es nicht solche Erfahrungen mit dem sensiblen Innenleben von Großbehörden und Eigenbetrieben, könnte man dies ignorieren. So aber muß der Senat die Warnung ernst nehmen. Der Wochenend-Nachtverkehr auf U1 und U7 ist kein gnädiges Almosen der BVG fürs fahrende Volk, sondern eine konsequente Umsetzung des ökologischen Stadtumbaus. Allerdings auch eine idiotisch halbherzige: Von Anfang an war klar, daß bei zwei Linien an zwei Abenden nicht der große Durchbruch zu erwarten ist. Wer nun beklagt, daß zu wenig Fahrgäste das Angebot nutzen, sollte nicht nach dem Rotstift schreien, sondern endlich nach dem „großen Wurf“: Weltstadtverkehr in alle Himmelsrichtungen rund um die Uhr - für eine Stadt, in der nach der Währungsunion Hunderttausende vom Taxifahren erst einmal nur noch träumen können. Völlig kleinteilig denkt, wer eine solche bewußt auch symbolisch, ökologisch und langfristig gedachte Maßnahme mit Fahrgastzählungen und buchhalterischen Kosten -Nutzen-Rechnungen bewertet. Es gibt einfach nichts, was BVG und Senat unterlassen dürfen, um die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs zu steigern. Koste es, was es wolle.

Thomas Kuppinger

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