: Schleifer streicheln
Warum sind Baumärkte eigentlich noch offen?
Offenbar gelten Baumärkte nur mancherorts als systemrelevant. Während die Heimwerkerkathedralen in einigen Bundesländern schon fest verrammelt sind, halten sie ihre Pforten andernorts, in Nordrhein-Westfalen beispielsweise, dem Bastelsüchtigen noch immer einen Spaltbreit offen. Allerdings gibt es nun Einlasskontrollen in den verbliebenen Schrauber-Oasen. Aber wie sehen die Kontrollen aus? Erhält nur noch eine Hobbyelite Einlass? Wird man vom Türsteher abgewiesen, wenn man nicht im standesgemäß farbbefleckten Blaumann erscheint? Muss man die Rohraußendurchmesser für sämtliche im Handel befindliche zöllige Flanschmuffen aufsagen? Eine praktische Prüfung an der Stichsäge bestehen? Und brauchen Frauen mittlerweile die schriftliche Genehmigung eines männlichen Verwandten, um die chronisch übermackerten Do-It-Yourself-Refugien betreten zu dürfen? Unzweifelhaft hingegen ist der Zweck der Baumarktbesuche in Krisenzeiten. Sie dienen weniger dem Einkauf, denn der Beruhigung der aufgepeitschten Nerven. Leise schluchzend steht der deutsche Hobbyist im Gang für Multifunktionswerkzeuge und streichelt Schwingschleifer, bis er sich für die Welt da draußen wieder gewappnet fühlt. Und wenn es dann letztlich ans Sterben geht, kehrt er zurück, um im Kreis seiner Lieben die Augen zu schließen.
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