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Schlechtwettergeld ist erneut auf dem Prüfstand

■ Bauarbeiter marschieren aus Protest gegen Streichung gen Bonn / Regierung sucht auch bei der Begrenzung der Arbeitslosenhilfe nach neuen Lösungen

Berlin (taz) – Nach massiven Protesten aus der Bauindustrie und den einzelnen Bundesländern sucht die Bundesregierung jetzt nach Möglichkeiten, das Schlechtwettergeld für Bauarbeiter nicht ganz zu streichen, sondern nur zu kürzen. Ein Sprecher der CDU/ CSU-Fraktion bestätigte gestern, mehrere Möglichkeiten würden erwogen, aber nichts sei schon „in trockenen Tüchern“.

Das Schlechtwettergeld für Bauarbeiter wird bislang immer im Zeitraum vom 1.November bis 31. März gewährt. Bauunternehmer müssen auf einer Liste die Stunden oder Tage angeben, an denen wegen schlechten Wetters nicht gearbeitet werden kann. Jeder Arbeitnehmer erhält für diese Zeit einen Lohnausgleich in Höhe von 68 Prozent des Arbeitslohns.

Nach Informationen der IG Bau-Steine-Erden wird in Regierungskreisen jetzt über folgende Möglichkeiten nachgedacht, die Leistung nicht bis zum 1.Juli 1994 zu streichen, sondern nur zu kürzen: Zum einen könnte man die Zahlung des Schlechtwettergeldes erst zum Herbst 1996 streichen. Erwogen werde ferner, möglicherweise nur die Leistungen für den November zu streichen. Auch gibt es den Vorschlag, das Schlechtwettergeld auf maximal 15 Tage zu begrenzen oder gar die ersten zwei Stunden Ausfall pro Tag nicht zu bezahlen.

Alle Möglichkeiten stoßen auf energischen Widerstand der Gewerkschaft. Der Vorsitzende der IG Bau-Steine-Erden, Bruno Köbele, erklärte, alle Vorschläge einer Streichung oder Kürzung machten die Bauwirtschaft kaputt. Würde das Schlechtwettergeld gestrichen, drohten in der Branche 300.000 Beschäftigte zur Wintersaison ihre Arbeit zu verlieren. Die Bundesanstalt für Arbeit spart nach Angaben der IG Bau dann zwar rund 700 Millionen Mark an Schlechtwettergeld. Die Kosten für Arbeitslosengeld, entgangene Steuern und Sozialversicherungsbeiträge beliefen sich jedoch dann auf ein Mehrfaches, nämlich 2,8 Milliarden Mark, so Köbele. Der Vorsitzende rief aus Protest gegen die „Luftnummer“ für den 28.Oktober zu einem „Marsch nach Bonn“ auf. Die Gewerkschaft erwartet dazu 100.000 Bauarbeiter.

An diesem Tag wird das Arbeitsförderungsgesetz mit den geplanten Einsparungen im Bundestag beraten. Im November werden schließlich die Länder im Bundesrat über die Spargesetze der Bundesregierung abstimmen. Wie berichtet, haben sich die Länder einhellig gegen die Streichung des Schlechtwettergeldes und der Begrenzung der Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre ausgesprochen.

Beide Gesetzesänderungen sind zwar nicht zustimmungspflichtig, trotzdem setzt der Protest den Bundestag unter Druck. Dafür sorgt eine Veto-Regelung im Bundesrat. Wenn nämlich die Länder das gesamte Sparpaket mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit ablehnen, müßte der Bundestag auch für die nicht zustimmungspflichtigen Spargesetze eine Zwei-Drittel- Mehrheit aufweisen, um sie durchzudrücken. Dies ist aber bei den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag nicht gegeben.

Schlechtwettergeld und die Begrenzung der Arbeitslosenhilfe seien Punkte, „die zumindest daraufhin überprüft werden, ob sie im Gesetzespaket unbedingt notwendig sind“, bestätigte gestern CDU/ CSU-Fraktionssprecher Walter Bajohr. Es sei allerdings Konsens, daß man die Gelder, die dann möglicherweise doch nicht gekürzt würden, aus anderen Einsparungen gewinnen müsse. BD

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