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Schlechte Karten für deutscheren Airbus

■ Kampf der Experten: Kritik an der Verlegung der Endmontage auch aus Spanien und Großbritannien / 'Financial Times‘: Paketlösung mit Militärhubschrauber? / Bei den deutsch-französischen Konsultationen müssen Mitterand und Kohl einen Kompromiß finden

Berlin (taz/afp/dpa) - Heute und morgen treffen sich der französische Staatspräsident Mitterrand und Kanzler Kohl nebst Ministerriegen zu ihren regelmäßigen Konsultationen. Große Differenzen sind nicht im Busch - außer einer. Streitpunkt wird die zweite Montagelinie für den Airbus sein, die Frage, ob das mit Verlust produzierte, aber mit Erfolg verkaufte Modell A 320 künftig in Hamburg oder Toulouse zu Ende montiert werden soll (taz vom 31.10.). Bundesregierung wie Daimler-Management, die dem Airbus liebend gern ein deutscheres Image verschaffen würden, haben dabei schlechte Karten: Zur französischen Kritik an einem solchen Plan hat sich nun auch spanische und britische gesellt.

Nach einem Bericht der Londoner 'Financial Times‘ ist die dortige Regierung besorgt, daß die französisch-deutschen Gespräche zu einer noch weitergehenden Politisierung des Airbus-Programms führen würde. Eine stärkere Kommerzialisierung könne dadurch erschwert werden. Zudem hat sie Kohl und Mitterrand im Verdacht, sich auf eine Paketlösung zu verständigen, die auch das Eurocopter-Projekt umfaßt. Einzelheiten wurden aber nicht genannt. Eurocopter ist die Gesellschaft, die den deutsch-französischen Panzerabwehrhubschrauber PAH-2 bauen soll. Daran sind MBB und Aerospatiale zu je 50 Prozent beteiligt; am Airbus -Konsortium („Airbus Industrie“) haben MBB und Aerospatiale einen Anteil von je 37,9, British Aerospace 20 und die spanische Casa 4,2 Prozent.

Die Verfasser einer Studie, die am Montag veröffentlicht wurde, sprechen sich scharf gegen die Einmischung von Regierungen in das Airbus-Programm aus. Die Autoren, Jeffrey Sterling, Chef der Schiffahrtslinie P&O und zeitweiliger Berater des britischen Handels- und Industrieministeriums, und Emilio Garcia, ein spanischer Bankier und Unternehmer, fordern zudem eine Straffung des Airbus-Managements. Sie räumen zwar ein, daß die Endmontage in Hamburg Kosten sparen könne, jedoch würde die Produktion des Airbus gestört werden. Für die beiden Modelle A 320 und A 321 liegen 94 Bestellungen und 99 Optionen vor. Bisher stellen die vier am Airbus beteiligten Firmen Teile der Flugzeuge in ihren eigenen Werken her und schicken sie zur Montage nach Südfrankreich. Dort werden die Maschinen zusammengebaut und zur Innenausstattung nach Hamburg geflogen. Zu den letzten Flugversuchen kehren sie nach Toulouse zurück.

Die Studie bezweifelt weiter, daß die eingeleiteten Umstrukturierungen bei der Airbus Industrie ausreichen, um das Programm effizienter zu machen. Deswegen soll es in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und ein „vollständig objektiver“ Vorstandsvorsitzender ernannt werden. Der Finanzdirektor soll mehr Macht erhalten, und die Fragen, die die Produktion betreffen, sollen vom Airbus-Management selbst entschieden werden. „Die Standortbestimmung für ein Airbuswerk kann nur von der Direktion des Konsortiums getroffen werden, aber nicht auf der Ebene von Ministern oder deren Beratern“, sekundierte denn auch ein Sprecher des britischen Handels- und Industrieministeriums, der keinen Hehl aus dem britischen Unmut über das Tauziehen zwischen Bonn und Paris machte, gegenüber der Nachrichtenagentur 'Agence France Presse‘.

Die Reorganisation bei Airbus Industrie war vor drei Jahren durch die Gutachtergruppe der Vier Weisen ausgelöst worden, die die katastrophale Finanzplanung und -kontrolle des Konsortiums kritisiert und auch den damaligen Aufsichtsrats -Chef Franz-Josef Strauß nicht verschont hatte. Strauß durfte damals allerdings Chef des obersten Kontrollgremiums bleiben.

Die jetzt vorgelegte Studie wurde von den Regierungen Großbritanniens und Spaniens im Sommer in Auftrag gegeben, nachdem Kohl und Mitterrand ihrerseits einen Bericht über die Vorteile der Endmontage-Verlagerung nach Hamburg in Auftrag gegeben hatte. Die beiden Gutachter, der frühere Krupp- und Saarstahl-Chef Krackow und der frühere Chef des Turbinenherstellers SNECMA, Benichou, waren zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Das hatte letztlich dafür gesorgt, daß sich Kohl und Mitterrand jetzt auf einen politischen Kompromiß einigen müssen. Die Bundesregierung hatte Daimler zugesagt, sich für die bundesdeutsche Montage in Hamburg starkzumachen. Zudem hat das Bundesland Hamburg, im Besitz einer Sperrminorität bei MBB und scharf auf die Endmontage drängend, noch immer nicht dem Einstieg Daimlers bei MBB zugestimmt.

Auch französische Politiker legten in den letzten beiden Tagen noch einmal gegen die bundesdeutschen Bestreben nach. Der Finanzausschuß der französischen Nationalversammlung äußerte sich besorgt über den Plan. Nach der Beratung des Verkehrshaushalts sagte der neogaullistische Kommissionssprecher Michel Inchauspe, der Anspruch der Deutschen sei „motiviert von Prestigeüberlegungen und unbefriedigtem Machtwillen“. Er könne sich auf „keine ernstzunehmende Industrieanalyse“ stützen. „Ich hoffe, Sie werden sich diesem neuen Pangermanismus widersetzen“, schrieb Inchauspe an Verkehrsminister Michel Delebarre.

Der Sprecher des Ausschusses für Produktion und Handel, der Sozialist Jean Auroux, sagte als Folge einer Airbus -Endmontage in Hamburg „Mehrkosten und Verzögerungen“ voraus. Verkehrsminister Delebarre wies die Diskussion jedoch zurück. Er sagte, die Wahl des Montage-Ortes sei eine „industrielle Frage“ und müsse von den Airbus-Partnern entschieden werden.

Unabhängig von den beiden Regierungsstudien hat der Aufsichtsrat des Airbus-Konsortiums in der letzten Woche eine eigene Arbeitsgruppe aus britischen und spanischen Luft - und Raumfahrt-Industriellen gebildet, die die Auswirkungen der bundesdeutschen Forderungen auf die Airbus-Produktion untersuchen sollten.

Dietmar Bartz

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