: Schlag für Frankreichs Computerindustrie
■ Die meisten Computer für Schulen sollen ausländische Unternehmen liefern
Paris (dpa) - Die nicht gerade erfolgsverwöhnte französische Computerindustrie hat den „Schulkampf“ um die Ausrüstung der französischen Gymnasien mit Personal Computern (PCs) verloren. Zwar erhöhte der neue Bildungsminister Lionel Jospin den Etat für Computerkäufe auf 156 Millionen Franc (47 Millionen Mark). Das ist fünfmal so viel wie bisher vorgesehen. Doch der Löwenanteil der Bestellungen von 13.120 Computern ging ins Ausland.
Allein 5.906 Geräte soll der zur schwedischen Datatronic -Gruppe gehörende US-Hersteller Victor liefern. Die italienische Olivetti-Lagobax erhielt Order für 2.371 Geräte. Den Rest liefern meist kleine französische Hersteller, darunter SMT-Groupil (3.470 Computer), Leanord (664), Bull (525) und Forum (184). Ganz mit leeren Händen steht sogar der früher vom Staat gehätschelte Hersteller Thomson da, der 1985 noch 100.000 Computer an die Schulen geliefert hatte.
Die mitten in der Sommerpause gefällte Entscheidung der sozialistischen Regierung zeigt, wie sich die Verhältnisse in Frankreich in den vergangenen Jahren gewandelt haben. Bei der Einführung des Planes „Informatik für alle“ im Jahre 1985 hatte die damalige sozialistische Regierung unter Laurent Fabius als Ziel proklamiert, den heimischen Computerherstellern mit Großaufträgen für das Bildungssystem kräftig unter die Arme zu greifen. Doch nach der „doppelten Wende“ 1986 und 1988 ist auch für die wieder regierenden Sozialisten die Marktwirtschaft oberstes Gebot. Das Motto „Kauf französisch“ gilt nicht mehr.
1985 hatte die Regierung sich folgerichtig für den (schon als technisch veraltet geltenden) Computer TO7 von Thomson und gegen den von Fachleuten befürworteten „Apple“ von McIntosh (USA) entschieden. Doch jetzt gab Jospin die Devise aus: „Das Preis-Leistungs-Verhältnis muß stimmen.“ Ergebnis: Alle 5.056 Drucker werden von den Japanern NEC und Epson geliefert. Bei den Rechnern gingen 60 Prozent der Aufträge ins Ausland.
Der Schlag für die französische Industrie, die nur fünf Prozent des europäischen und 15 Prozent des französischen PC -Marktes hält, sitzt tief. SMT-Goupil-Chef Claude Perdrillat wetterte gegen den „ungleichen Wettbewerb“, der die heimische Industrie benachteilige. So würden die in Taiwan hergestellten Computer in Frankreich nur zu vier Prozent belastet, während die französischen Hersteller auf Computerteile aus Taiwan 15 Prozent Zoll zahlen müßten.
Am schwersten war der Schlag jedoch für Thomson. Der „ewige Verlierer“ der letzten Jahre hatte 1986 in Europa nur 100.000 der geplanten 300.000 Kleincomputer absetzen können. 1987 wurden die Pläne zwar auf „einige zehntausend“ zurückgenommen, die Verkäufe sanken jedoch noch schneller auf 10.000. Nach dem „Nullgeschäft“ mit den Schulen spricht man jetzt in der Branche bereits davon, daß Thomson den PC -Markt ganz aufgeben könnte. Aber auch Marktführer Bull, dessen Anteil in Frankreich 1987 von 12,5 auf 7,3 Prozent gefallen war, denkt an eine Umorientierung seiner Strategie. Und die kleineren Hersteller müssen wegen der geringen Seriengröße ihrer Produkte ebenfalls um die Zukunft bangen.
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