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■ Urdrüs wahre KolumneSchimmelreiter springt nicht

Frühzeitig gratulieren bringt Unglück, und so werde ich einen Deubel tun, dem Nashorn-Henning heute schon zum morgigen 60. Geburtstag zu gratulieren oder ein paar Hosenklammern zum Ausschneiden aufzumalen. Preisen aber will ich seinen protestantischen Verzicht auf alle Geschenke beim morgigen 11- Uhr-Empfang im Rathaussaal unter Verweis auf das Sparkassen-Orgelbaukonto 1028867 der ev. Kirchengemeinde Walle: Zum Wohle von Frau Musica und dem Herrn Zebaoth geben wir diesem Bettelaufruf unterm Stichwort „Scherffs Sechzigster“ unseren Segen. Gern würde man ja mal den Choral „Keine Macht für Niemand“ zum Buß- und Bettag hören...

Noch ein Hinweis: Sollte unter den Rathaus-Arkaden ein Bettelman namens Gerold Janssen um Almosen heischen, so hätte das Geburtstagskind ganz sicher nix dagegen, wenn im Interesse von Wiesenschaumkraut, Feldlerche und Igel auch diesem Landschaftsmaler im öffentlichen Dienst eine Spende zuteil würde. Henning spricht zwar nicht gern darüber, aber in seinen Träumen sieht er sich in Vollmondnächten immer wieder gern an Gerolds Seite als Kämpfer auf der Baggerschaufel fürs Hollerland und alle Kinder von denen wir das ganze Zeugs schließlich nur geliehen haben. Is' ja alles auch irgendwie göttliche Schöpfung, wie jede Kirchentagsbesucherin weiß.

Soll man sich darüber freuen, daß der SV Werder unter der Fuchtel von Felix Magath einen Sieg im Pokalwettbewerb erreicht hat? Man sollte es nicht, denn in diesem Triumph bestätigt sich dem gemeinen Konservativen die Überlegenheit der schwarzen SteißtrommlerPädagogik über das libertäre Kumpeltum des Vorgängers! Ideengeschichtlich äußerst negativ...

Die hiesige Sparkasse ruft das junge Publikum zum Kreativwettbewerb unter dem Motto „Wie geht es, Tier?“, wobei attraktive Geld- und Sachpreise winken: Ich appelliere an die JUGEND-FORSCHT-Aspiranten im Lande, dafür zündende Ideen zur raschen Entsorgung des geplanten Primatenfolterzentrums an der Uni Bremen zu entwickeln. Damit wir Bruder Schimpanse und Schwester Meerkatz trotz Kreiterei und alledem wieder in die Augen schauen können...

Nun soll auch Bremen seinen Telefonladen bekommen, von wo man für weniger als zwei Mark in Tokio anrufen kann, um sich nach dem Stand des Nikkai-Index zu erkundigen. Ich habe vor drei Tagen ein sogenanntes Tele-Café in Hannover besucht und dabei erleben dürfen, wie eine junge Schauspielerin in der Kabine nebenan mit schrillem Pathos die Ballade der Seeräuber-Jenny in die Sprechmuschel grölte. Auf Nachfrage erfuhr ich, daß sie damit ihrem Onkel in New York „eine Freude machen wollte“. Insgesamt also eine Geschäftsidee, die im agitproppern Friedenskampf nach der rot-grünen Kriegsresolution von Bedeutung werden könnte!

Wie der Stadtwerke-Vorstand nach strategischer Vorbereitung durch die Haller-Kumpelei das Unternehmen exclusiv in die strahlende Preag-Zukunft verschieben will, läßt den Realismus jedes Stammtischlers deutlich werden, der schon lange weiß, daß Macht und Korruption zusammengehören wie Durchfall und Bremsspur. Wilhelm Kaisen, so kennen wir den guten Menschen von Bremen, er hätte die Mitglieder des Gesindels komplett zum Grünkohlessen auf seinen Hof geladen und nach dem 12. Schluck von wackeren Knechten und Mägden in die Gülle werfen lassen: Damit sie endlich so zum Himmel stinken, wie es paßt.

So mancher Flecken Norddeutschlands meldet Land unter, und hie und da wird wieder zwischen Gröpelingen und Hastedt über die zweite oder dritte Jahrhundertflut der vergangenen Jahre räsoniert und nach den Gründen und Ursachen gefragt. Diese aber heißen Beton überall, zementierte Gewerbebrachen, verfüllte Hafenbecken und was sonst noch so zum Wirtschaftsressort gehört. Der blanke Hans fordert sein Versöhnungsopfer: von den leitenden Schimmelreitern will aber niemand springen. Das genau ist das Problem, meint

Ulrich „Nature Boy“ Reineking

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