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Unser kleines RadioSchietkram

■ Michael Augustins "Heimatfunk"

Heimat ist ein gefährliches Wort. Heimatfunk ist auch nicht nicht ohne. Was funkt man aus der Heimat? Werden aus sprödem Weserkiesel Heimaffunken geschlagen? Funkt gar ein heimatliches (Hussa!) Funkenmariechen? Obacht: Allzuschnell versandet, wer sendet, zwischen Ahoi und Moinmoin. Zwischen Heideland und Waterkant. Zwischen Inbegriffen und Segelschiffen.

Danz op da Deel? Hamburger Veermaster? Klaus und Klaus? Na, Leute: Doch nicht mit Michael Augustin. Sein Heimatfunk auf der Hansawelle fährt einen verwegenen Slalom zwischen dem, was Heimat nicht sein darf und was sie vielleicht sein könnte. Kein pomadiger Haifischbar-Sperrmüll und keine plattdeutschen Lachsack-Umtriebe.

Die Vergangenheit gibt einiges her. Erinnerungen können Kunststücke sein. Die norddeutschen Köpfe haben mehr zu bieten als„Rolling Home“. Und norddeutsche Musik hat mehr zu bieten, als rote Biergesichter überm Fischerkittel in die Welt plärren. Der Heimatfunk auf der Hansawelle arbeitet Vergangenheit auf. Man kann lachen. Nachdenken. Zuhören. Menschen erzählen. Eben das, was erzählenswert ist aus der Zeit, die gelebt worden ist. Damit nicht alles umsonst war.

Es wird etwas über norddeutsche Erotik gesendet: „Schietkram und die Hochsprache“. Jemand hat Inschriften auf Schulklosetts abgepaust. „Ein offenes Wort läßt keinen Platz für unsaubere Gedanken“, berichtet Michael Augustin und zitiert den Volksmund: „Kecken und Sorgen kommt jeden Morgen“. “Breitmorsig“, so erfahren wir, „ist kein Wort für den distinugierten Dichtersmann“.

Samstagabends, wenn das Viertelnachachtfernsehen in dumpfer Stube gottschalkt und goldmilliont, da kommt Michael Augustins Heimatfunk. Da kann man vorm Bullerofen sitzen und alte Fotos sortieren oder auf dem kleinen Sofa sitzen und jemanden im Arm halten. Oder Zwetschgenkerne auf den dunklen Fernseher spucken.

Lutz Wetzel

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