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■ SchnittplatzSchiebewurstprinzip

Sie brauchen sich gar nicht zu beschweren: Es war heavy. Am Montag abend zum Beispiel. Da hatten die beim NDR ja nun den ultimativen Qualitätsanfall. Erst zwei satte Spielfilmlängen „Die Bombe tickt“, dieses gewaltige Teil über die mörderischen Rattenfänger von Neonazis. Dann noch zwei Stunden vom Feinsten: Horst Königstein lüftet die „Denver-Clan“-Maske. Die „Dynasty“- Family in echt. Sonst ist man ja nichts Gutes mehr gewöhnt, zappt sich so durch. Aber am Jahresende?

Die ganzen Wochen schon heißt es, höllisch auf dem Kiewief zu sein, daß einem nichts durch die Lappen geht von den Pfunden, die der NDR plötzlich raustut. Am zweiten Advent: Neil Postman im Mediendschungel und Dokumentarist Wildenhahn beim Metallerstreik. Dann ein Philosophie-Seminar mit Helmut Schmidt, der erstmals einiges über seinen Jugendeifer im Dritten Reich und seine bis zur britischen reeducation gepflegten Verdrängungsmechanismen rausließ. Gefolgt von den Scorpions für die ganze Familie und einem Pas de deux mit John Neumeier. Gar nicht zu reden vom neuen Telefon-Talk. Außerdem verbrät Königstein – so wie 1992 kurz vor Schluß mit dem „Dynasty“-Dreh – jetzt gerade wieder seine Notration für die Ibrahim- Böhme-Story „Der Mann im schwarzen Mantel“.

Immer dieses Strohfeuer kurz vorm Silvesterböller. Steckt aber weiter nichts dahinter, jedenfalls nicht programmplanungsmäßig. Ist nur das öffentlich-rechtliche Schiebewurstprinzip: zehn Monate lang Angst vor der Quote mit Alltagsallerlei. Die gute Wurst wird geschoben. Dann plötzlich die Furcht vorm Sparkommissar. Findet der nämlich bei der Inventur noch Taler im Topf, schrumpft der nächste Etat. Also hurtig in die Gourmet-Küche. Wenn man damit noch Eindruck schinden kann, um so besser. Deshalb hagelt es für unsereins im Advent vom Programmadvent auch Preview-Termine. Zuerst mit Lachs, am Ende mit Tomatensuppe. Soll heißen: Jetzt ist der Topf wirklich leer. Schöne Bescherung. Also beschweren Sie sich mal nicht, sonst gibt's für Sie gar keine gute Wurst mehr von Tante NDR und Onkel Jobst.Frau Ulla

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