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Schieber und Schwarzhändler

Der Stellvertreter des Ministers für Post- und Fernmeldewesen beklagte in einem Brief vom 20. Mai 1954 an den DDR-Ministerpräsidenten, dass der Postweg zunehmend von Schiebern und Schwarzhändlern missbraucht wird, um durch die erleichterte Versendungsart „Geschenksendung“ nach Westdeutschland und Westberlin Spargel zu versenden.

So wurde die „Verordnung über den Geschenkpaket- und -päckchenverkehr auf dem Postwege mit Westdeutschland, Westberlin und dem Ausland“ vom August 1954 „im Interesse der Bevölkerung und zur Verhinderung des Missbrauchs des Geschenkpaketverkehrs zur Beförderung von Handelsware zu Spekulationszwecken“ erlassen.

Schon das nun festgelegte Höchstgewicht für Pakete von sieben Kilogramm machte es schwieriger, kommerzielle Sendungen unter dem Deckmantel eines Privatpakets zu versenden.

In den Bestimmungen hieß es, dass bei „groben Verstößen“ die gesamte oder ein Teil der Sendung „der entschädigungslosen Einziehung durch das Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs“ unterliegt.

Am 30. April 1962 trat ein Zollgesetz in Kraft, mit dem eine offizielle Trennung vom bis dahin formal noch einheitlichen deutschen Zollgebiet erfolgte. Im Juli 1971 setzte man das Höchstgewicht für Pakete von sieben auf zwanzig Kilogramm herauf; Mengenbeschränkungen für einzelne Produkte fielen weg.

Zuletzt wurden 1988 „insgesamt 36 Millionen Sendungen zur Röntgenkontrolle vorgeführt“, so eine Mitteilung des Stellvertretenden Postministers vom April 1989, die sich in den Akten des Bundesarchivs Berlin findet.

Alljährliche Grußbotschaften des ZK der SED rühmten die Zöllner anlässlich ihres Ehrentages: So hieß es am 28. August 1989 im Neuen Deutschland: „Initiativreich und mit hoher Einsatzbereitschaft tragen sie zur allseitigen Stärkung des Sozialismus und zur Erhaltung des Friedens bei.“

Weiter hieß es: „Durch die Gewährleistung von Gesetzlichkeit und Ordnung sichern die Angehörigen der Zollverwaltung zuverlässig die Arbeiter-und-Bauern-Macht.“ Außerdem hätten sie „Schmuggel und Spekulation erfolgreich bekämpft“.

„Im grenzüberschreitenden Postverkehr ist eine durchgängige Feststellung von Tonbandkassetten möglich. Daraus resultierten jährlich dreißig- bis fünfunddreißigtausend Rücksendungen von Geschenksendungen“, hatte Alexander Schalck-Golodkowski, oberster Westwarenkoordinator der DDR, am 27. August 1987 seinen Vorschlag an den Postminister, künftig Tonbänder ins Land unbeanstandet zu lassen, begründet.

Andreas Hergehts Text ist eine gekürzte Fassung seines Beitrags im jüngst erschienenen Buch von Christian Härtel/Petra Kabus (Hrsg.): „Das Westpaket, Geschenksendung, keine Handelsware“; Christoph Links Verlag, Berlin 2000, 39,80 Mark. Dort finden sich weitere Beiträge über ein Leben aus einer fernen Zeit.

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