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Scheinheilige Berichterstattung

■ betr.: „Privat war nicht einmal ihr Tod“ u.a., taz vom 1.9. 97

Die ganze Nacht immer die gleichen Bilder, die gleichen Betroffenheitsbekundungen und Beschwörungen: „Wir tun so was nicht!“, und wieder die Bilder: die schniefende, die heulende, die knutschende Diana, die Bilder vom Unfallort und vom Autowrack, nah dran, als suche die Linse nach Leichenteilen oder wenigstens Blut, dann wieder die Bekundungen und Diskussionen, nicht nur die Paparazzi seien schuld, schuld seien die Zeitungsmacher und eben nicht zuletzt die, die die Zeitungen kauften und sich diese Bilder ansähen...

Montags schlage ich meine taz auf und sehe wieder die gleichen Bilder, eins sogar mit Gütesiegel (ein ausgesprochen schlechtes Foto): von einem Paparazzo aufgenommen! Soll ich mich jetzt also schuldig fühlen? Soll ich mir schwören: Keine Mark mehr für beschmiertes Papier einschließlich taz?

Und wer stellt die Fragen: Wer hat dem kleinen Mädchen den verlogenen Prinzessinentraum eingeimpft? War der Vater besoffen, als er von seiner Tochter als verliebter Königsbraut in die Kamera lallte? Wo war Dianas Bruder, als sie sich auf der rauschhaften Jagd nach Leben und auf der Flucht vor der tristen Wirklichkeit verlor? Wo ihre angeblichen Freunde? Hat ihre Therapeutin sie gar nicht von der Bulimie geheilt, sondern dem Wahn nur eine andere Gestalt gegeben: das Spiel mit den Paparazzi vielleicht? Hat es der „Mutter Teresa“ gefallen, als großmütterliche Freundin der süßen Prinzessin geblitzt zu werden, statt ihr zuzuhören und ihr zu helfen? Und die sie so heiter im nicht geräumten Minenfeld spazieren gehen ließen – haben sie sich nicht gefragt, wann diese Kombination aus Jagd und Flucht ihr mörderisches Ende nimmt? Wann werden wir der Wahrheit und dem Tode ins Auge sehen, statt uns mit alten, immer neu abgepausten Mythen anzulügen? [...] Michael Pietsch, Rosenhagen

Enttäuschend, daß die taz sich dieser scheinheiligen Berichterstattung anschließt. Über Paparazzi herzuziehen und noch für die gleiche Ausgabe heimlich geschossene Bilder zu kaufen, ist schon dreist. Werner Horbelt, Freiburg

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