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Archiv-Artikel

Schatten auf der Leinwand

Elisabeth Bronfen referierte auf dem 9. Symposium zum Film im Kino 46 darüber, was passiert, wenn es im Zuschauerraum dunkel wird. Die taz sprach mit der Schweizer Kulturwissenschaftlerin über ihre Ansichten zu einer „Kulturgeschichte der Nacht“

Elisabeth Bronfen von der Universität Zürich gehört zu den originellsten und auch fleißigsten KulturwissenschaftlerInnen, die im deutschsprachigen Raum über Film arbeiten. Jedes Jahr kommt ein Buch von ihr heraus – zuletzt ihre Arbeit über Diven, zu denen sie auch Elvis zählt. Bronfen war der Stargast des 9. Symposiums zum Film im Kino 46. Und sie enttäuschte mit ihrem Vortrag über das Unheimliche bei Martin Scorsese nicht die hohen Erwartungen.

taz: Frau Bronfen, wie bewerten Sie diese Veranstaltung?

Ich denke, das Besondere dieses Symposiums liegt darin, dass hier ein sehr gemischtes Publikum zu den Vorträgen kommt. Das sind Leute, die sich sonst wohl keine wissenschaftlichen Vorträge anhören würden, aber hierher kommen, weil sich die einzelnen Referate auf Filme beziehen, die dann auch gezeigt werden. Und wenn man einen Vortrag im Kino hört, hat das ja schon vom Ambiente her eine andere Qualität. Das evoziert dann gleich etwas Lustvolles und die Imagination.

Was haben Sie denn hier gelernt?

An dem Referat von Hans J. Wulff über Klone im neueren Kino gefiel mir seine Definition von Kino, die meiner sehr nahe kommt. Er sagt, dass gerade im populären Kino zeitgenössische Diskurse teilweise vorweggenommen und auf eine spielerische Art und Weise bearbeitet werden.

Und Irmbert Schenk hat des Öfteren vom Kino als einem Ort gesprochen, an dem man seine Ängste ausagieren kann. Es geht dabei darum, was uns alle am Kino so anzieht, das wir aber nur schwer theoretisch fassen können.

Mit ihrem Vortrag über „die Nacht als Entdeckungsort des Anderen im Kino“ nähern Sie sich ja diesem Kern der Debatte. Warum lassen wir uns denn nun im Kino so gerne erschrecken?

Ich frage mich, ob Film nicht ein spezifisch nächtliches Medium ist. Nicht nur, wenn es Geschichten der Nacht erzählt, sondern weil wir selber im Kino ja in diesen Schlafzustand versetzt werden. Es wird dunkel, wir sind für die Zeit, in der wir da sitzen, wie im Schlaf, und das heißt auch anfälliger für das Unbewusste. Wir glauben dann an das Halluzinatorische, und nur so funktioniert Kino. Wir glauben, dass diese Schatten auf der Leinwand Menschen sind. Das zeugt von einem tiefen abergläubischen Zug in uns. Doch da kann ich nur auf solche Begriffe wie „das magische Denken“ zurückgreifen. Das ist wissenschaftlich nicht präzise. Wir können da nur etwas andeuten und es dem Zuhörer überlassen, ob es für ihn Sinn macht.

Und warum untersuchen Sie dies hier jetzt ausgerechnet anhand dreier Filme von Martin Scorsese?

In „Taxi Driver“, „After Hours“ und „Bringing Out the Dead“ geht es um Männer, die in die Nacht reisen. Der „Taxi Driver“ etwa geht ins Dunkle, veräußert seine eigenen Dämonen, bringt diese um, kommt dann „gereinigt“ wieder heraus, bleibt aber in der Nacht. Auch Scorsese nährt sich vom Aberglauben und dem magischen Denken der Monsterfilme. Das finde ich sehr spannend. Ich arbeite jetzt seit über vier Jahren an einer „Kulturgeschichte der Nacht“.

Das Gespräch führte Wilfried Hippen