: Scharping will weniger Olivgrün in der Republik
■ SPD-Fraktionschef Scharping schlägt Bundeswehrverkleinerung und sechs Monate Wehrdienst vor. CDU/CSU empört, ein FDP-Abgeordneter hält dagegen
Bonn (AP/AFP) – Rudolf Scharping will die Bundeswehr kräftig abspecken. Der SPD-Fraktionsvorsitzende schlug am Wochenende eine drastische Kürzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate und eine Verkleinerung der Truppe auf unter 300.000 Soldaten vor. Sein Vorschlag löste prompt heftige Reaktionen auf der Bonner Hardthöhe aus. Hausherr Volker Rühe (CDU) nannte Scharpings Vorschläge „unverantwortliche und leichtsinnige Gedankenexperimente“. Allein der FDP-Verteidigungsexperte und Wehrpflicht-Kritiker Jürgen Koppelin hielt das SPD-Konzept für „durchaus diskussionswürdig“.
In einem Interview mit Bild am Sonntag hatte Scharping erklärt, das neue Konzept für die Bundeswehr sollte bis zum Jahr 2005 verwirklicht sein. Bei einer auf unter 300.000 Mann verkleinerten Armee und dem sechsmonatigen Wehrdienst könnte der Etat des Bundesverteidigungsministers Rühe um einige Milliarden Mark gekürzt und die Bundeswehr dennoch leistungsfähiger gemacht und besser ausgerüstet werden. Der Wehrdienst war zuletzt Anfang dieses Jahres von zwölf auf zehn Monate heruntergefahren worden. Der Zivildienst dauert dreizehn Monate.
Grundsätzlich plädierte Scharping für die Beibehaltung der Wehrpflicht. Bei einem Grundwehrdienst von etwa einem halben Jahr könnten die Wehrpflichtigen ihr Wissen nach Ende der Dienstzeit bei Wehrübungen auffrischen.
Rühes Sprecher Hans-Dieter Wichter warf Scharping vor, mit seinen „unausgegorenen Ideen“ offenbar auf die Zerschlagung von Umfang, Struktur und Leistungsfähigkeit der Bundeswehr abzuzielen. Mit seinem vermutlich ohne Fachberatung im Alleingang entwickelten Denkansatz zerstöre er in letzter Konsequenz die allgemeine Wehrpflicht, ein bisher hohes Gut der Sozialdemokraten. Scharpings Gedanken seien nicht einmal in der SPD mehrheitsfähig. Die Bundeswehr brauche „Unterstützung, Ruhe, Stabilität und nicht Unsicherheit durch unausgegorene Ideen“.
Demgegenüber nannte der FDP-Abgeordnete Koppelin Scharpings Vorschläge einen „Schritt in die richtige Richtung“ und wies die Kritik Wichters als völlig überzogen zurück. Die Vorschläge zeigten, wie notwendig eine Diskussion über den Umfang der Bundeswehr und die Zukunft der Wehrpflicht in allen Parteien sei. Wenn die Bundeswehr finanzierbar bleiben und internationale Aufgaben übernehmen solle, werde das Ergebnis in allen Parteien eine Freiwilligen-Armee aus Berufs- und Zeitsoldaten sein. Die Krise bei den Beschaffungskosten ist laut Koppelin ebenfalls nur durch eine Truppenreduzierung zu beseitigen. Bei den letzten Spardebatten hatten verteidigungspolitische Sprecher von CDU bis zur SPD auf die mangelhafte Einsatzbereitschaft der Bundeswehr hingewiesen. Nach Ansicht von Koppelin gebe es selbst im Bonner Verteidigungsministerium vertrauliche Planungen über eine Umstrukturierung der Bundeswehr.
Der CSU-Landesgruppenvorsitzende Michael Glos erklärte, Scharpings Vorschläge liefen im Ergebnis auf eine Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht hinaus. Damit offenbare er sein gestörtes Verhältnis zur Bundeswehr. Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Paul Breuer, nannte Scharpings Vorschläge einen „sicherheitspolitischen Blindflug“. Deutschlands geopolitische Mittellage erlaube keine aus parteitaktischen Überlegungen vorgenommenen Einschnitte in die Bundeswehr.
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