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Sauberer Schuß statt Straßensiff

■ DrogenberaterInnen wollen Fixerräume in Bremen / „Drug-Mobil“aus Hamburg parkte zur Anschauung vor dem Theater

Der Bus ist voll. Um einen Tisch sitzen vier Drogis und setzen sich ihren Schuß. „Mehr als vier Leute können hier nicht ran, du mußt noch warten“, wird ein Aspirant auf sauberes Besteck vertröstet. Melanie hingegen kramt bereits ihren Stoff aus der Tasche. Sie ist 28 und Fixerin. „Der Bus müßte jeden Tag hier stehen“, sagt sie. „Dann käme man wenigstens für den Druck aus dem Siff der Straße raus.“Das „Drug-Mobil“aus Hamburg wird aber nur zwei Stunden vor dem Bremer Goethe-Theater parken. Hier soll es für die Einrichtung von Gesundheitsräumen – im Jargon Fixerstuben genannt – auch in Bremen werben.

Seit knapp fünf Jahren gibt es zwei Gesundheitsräume in Hamburg, einer davon ist das Drug-Mobil des Vereins für Drogenarbeit „freiraum“. Dessen MitarbeiterInnen sind auf Einladung des Bremer Landesverbandes von „akzept“, Verein für humane Drogenpolitik, vor Ort. „Wir fordern vier bis fünf dezentrale Druckräume auf die ganze Stadt verteilt“, sagt Georg Kurz-Lund vom „akzept“-Vorstand. Die könnten auch an bestehende Drogeneinrichtungen angegliedert werden. Damit sollen Abhängige die Möglichkeit erhalten, jenseits vom Straßendreck die Nadel zu zücken.

Der saubere Druck ist aber nur ein Aspekt der Fixerräume. Mindestens genauso wichtig ist den BefürworterInnen einer akzeptierenden Drogenpolitik das psychosoziale Begleitprogramm. „Wir geben Hilfestellungen in allen Fragen des Alltags“, umreißt Dirk Heitbrecher von „freiraum“das Konzept. Und das kommt an. „Die Resonanz ist super“, sagt er. „60 Kontakte pro Tag sind Schnitt, das ist sehr viel.“

Die „akzept“-MitarbeiterInnen wollen mit der Einrichtung der Fixerstuben zugleich die kontrollierte Abgabe von Heroin in Bremen propagieren. „Damit können wir Leute erreichen, die auf Ersatzprogramme nicht ansprechen“, erklärt Georg Kurz-Lund. Die Verelendung der Süchtigen könne so eingedämmt werden, glaubt er.

Das sieht der Pressesprecher der Bremer Gesundheitsbehörde, Holger Bruns-Kösters, anders. Daß die Freigabe illegaler Drogen das Leid der Abhängigen lindern hilft, sei „naiver Kindsglaube“, zitiert er Gesundheitssenatorin Christine Wischer (SPD). Fixerstuben werfen für ihn rechtliche Fragen auf. „Es ist gesetzwidrig, daß der Staat den Konsum illegaler Drogen beaufsichtigt“, so der Einwand des Pressesprechers.

Das gilt zwar auch für die Stadt Hamburg, dort werden die Fixerstuben aber von der Gesundheitsbehörde finanziert. Eine Goodwill-Entscheidung, denn auch Dirk Heitbrecher weiß: „Wenn uns jemand anzeigt, sehen wir alt aus.“Offenbar ist man aber in Hamburg vom Nutzen der Gesundheitsräume überzeugt. „Sie sind die Anlaufstellen mit der niedrigsten Hemmschwelle“, meint Heitbrecher.

Daß Fixerräume auch in Bremen eingerichtet werden, wünschen nicht nur die MitarbeiterInnen von „akzept“. Allein 25 DrogenkonsumentInnen haben gestern das Angebot zum hygienischen Druck genutzt. Sie alle gaben an, die Druckräume für eine menschenwürdige Alternative zum dreckigen Hauseingang zu halten.

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