: Saubere Schnitte ins Bewußtsein
■ Das menschliche Auge als Überwachungsinstrument, Fetisch und Skalpell: Max Eipps neue Tanz-Theater-Film-Produktion Trauma 509 hat auf Kampnagel Premiere
„An einem Morgen fällt eine Rasierklinge in mein Bewußtsein. Sie ist sauber, kühl, nähert sich meinem Hals.“ Ein Auszug aus dem Text Museum des Hasses von Jürg Federspiel. Er bildet nebem Der Geschichte des Beters von Frank Kafka und Georges Batailles Geschichte des Auges die Grundlage für die Tanz-Theater-Film-Produktion Trauma 509 von Max Eipp. Von kommendem Mittwoch an wird sie auf Kampnagel zu sehen sein.
Ein Theaterabend der sauberen Schnitte ins Bewußtsein. Trauma 509 thematisiert die vielfältige Verletzbarkeit des Menschen. Dabei steht das menschliche Auge im Zentrum der Assoziation. In Kafkas Text bedroht einen ein kaltes, überwachendes Auge, man fühlt sich beobachtet. In Batailles Geschichte ist für Simone das Auge ein Fetisch, den sie sich einverleibt. Bei Federspiel dringt das Auge tief in die Träume hinein und wird zur Paranoia. Eine Bataillon Rasierklingen verfolgt den Träumenden und schneidet wie ein Skalpell in alles, worauf sein Blick fällt.
Die Thematik ist also schwergewichtig, und Regisseur Max Eipp will mit „puren Theatermitteln“, wie er sagt, die Angelegenheit auf die Bühne bringen. Der Regisseur lehnt es ab, die schwierigen Texte von seinen sechs Darstellern einfach nur zelebrieren zu lassen. Mit Bewegungschoreografie, Filmprojektionen und Musik will er noch weitere Sinne beim Zuschauer wecken.
Daß Max Eipp seine Regie-Ideen erfolgreich umsetzt, ist durchaus zu erwarten. Schließlich hat er schon so manches Mal mit sehenswerten Projekten überrascht. Zum Beispiel mit den Giftmörderinnen nach einem Roman von Elfriede Czurda, das auch auf Kampnagel gespielt wurde. Oder mit Pinocchio an den Kammerspielen. Max Eipp ist gebürtiger Hesse und lebt seit sechs Jahren in Hamburg. Er arbeitet als Regisseur, Autor und Schauspieler.
Franziska Becker
Premiere am 18. Oktober, 20.30 Uhr, auf Kampnagel. Weitere Vorstellungen: 19.–22. und 25.–29. Oktober; jeweils 20.30 Uhr.
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