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■ In Peking wird für die Weltfrauenkonferenz hingerichtetSauber, sauber!

Die Erinnerung an die Panzer auf dem Tiananmen war noch ganz frisch, da beschlossen die Vereinten Nationen, ihre 4. Weltfrauenkonferenz in Peking abzuhalten. Der Grund dafür war einfach: Asien war dran. Die drei ersten UNO-Frauenkonferenzen hatten in Lateinamerika, Europa und Afrika stattgefunden, und jetzt bot sich die chinesische Hauptstadt an. Trotz der weltweiten Empörung über das brutale Vorgehen der chinesischen Soldaten stand die Wahl Pekings für die meisten Regierungen gar nicht in Zweifel. Sie konnten und wollten es sich nicht leisten, die chinesische Führung vor den Kopf zu stoßen. Außerdem mußten sie fürchten, in Teufels Küche zu kommen, wenn die Respektierung von Menschenrechten künftig als Kriterium für die Vergabe von UNO-Veranstaltungsorten gelten sollte.

Niemand konnte sich Illusionen über das repressive Regime machen – weder die Regierungen, die ihre VertreterInnen im September zur offiziellen Konferenz schicken, noch die 30.000 Frauen aus aller Welt, die zum alternativen NGO-Forum nach Peking reisen wollen. Über die Massenexekutionen und Arbeitslager in China, über politische Säuberungen und Polizeiwillkür ist immerhin einiges an die internationale Öffentlichkeit gedrungen. Über die Folgen der rigiden Bevölkerungspolitik und das neue Eugenik- gesetz, über Zwangsabtreibungen und die Tatsache, daß plötzlich viel mehr männliche Säuglinge geboren werden, sind wir informiert. Über Tibet und die Unterdrückung nationaler Minderheiten wird regelmäßig berichtet. Wir wissen, daß die chinesischen Behörden unbeirrbare BürgerrechtlerInnen wie den seit über einem Jahr „verschwundenen“ Wei Jingsheng oder Harry Wu festhalten. Die Hoffnung, daß sich Peking wenigstens im Vorfeld der Frauenkonferenz milde geben und ein paar Hinrichtungen und Verhaftungen weniger vornehmen würde, konnte sich nur machen, wer nicht genau hingucken wollte.

Und trotzdem hat es keine ernsthafte Diskussion über einen Boykott der Pekinger Konferenz gegeben, auch nicht unter den regierungsunabhängigen Frauenorganisationen, auch nicht in der Bundesrepublik. Warum nicht? Lag es daran, daß viele Frauen ihren Traum, einmal nach China zu reisen, nicht aufgeben und ihre jahrelange Vorbereitung nicht in den Wind schreiben wollten? Oder fanden sie einen Boykott einfach falsch? Darüber sollte noch geredet werden.

Es geht nicht darum, mit gutem oder schlechtem „Gewissen“ zur Konferenz zu reisen, sondern soviel wie möglich über das Land herauszufinden, Informationen auszutauschen, sich nicht abspeisen zu lassen von den Versuchen der Behörden, eine glatte Fassade zu zeigen. Es geht um die Begegnung mit der chinesischen Wirklichkeit. Jutta Lietsch

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