: Sauber bis 2000
■ Das Rathaus wird schonend geputzt / Die Journaille darf trotzdem weiter rauchen Von Heike Haarhoff
Wer das Chaos zu lange walten läßt, hat das Nachsehen. Diesmal trifft es den Hamburger Senat: Die 1990 begonnene Rundum-Renovierung des Rathauses wird nicht, wie geplant, pünktlich zum hundertsten Geburtstag im Oktober 1997 beendet sein.
„Wir führen die erste richtige Restaurierung in der Geschichte des Rathauses überhaupt durch“, entschuldigt Senatskanzlei-Sprecher Hinnerk Fock die Verzögerung des 60-Millionen-Projekts. Bis zur Jahrtausendwende sei man aber spätestens fertig. Das „gemeine Volk“, das das Rathaus ohnehin nur von außen kennt, wird von diesen kleinen Unzulänglichkeiten aber gar nichts merken. Denn zumindest die Fassade wird bis zu den Festlichkeiten makellos schön, sprich gereinigt sein. Fünf verschiedene Sandsteinarten verwendete der Archtitekt Martin Haller für den Bau. Zu wilhelminischen Zeiten konnte der Gute natürlich noch nicht ahnen, daß die Bausubstanz nur wenige Jahrzehnte später durch Abgase arg gefährdet sein würde. „Der Sandstein wird zunächst über Hochdruck mit heißem Wasser abgespritzt“, erklärt Fock. Danach wird Glasgranulat – ebenfalls per Hochdruck – aufgewirbelt und trifft seitlich auf die Mauern. „Das ist die sanfteste und umweltverträglichste Form der Reinigung, weil keine Säure verwendet wird“, versichert Fock.
Die 20 im Bronzeguß erstarrten deutschen Kaiser von der Vorderfront wurden bereits vor einem Jahr poliert; jetzt folgen die Giebelfiguren aus Kupfer. Auch der 111 Meter hohe Turm ist inzwischen eingerüstet. Eigentlich sollten Turm- und Dachreinigung schon über die Bühne sein, aber dann kam der Kirchentag dazwischen: „Es wurden viele Fotos und Filme mit dem Rathaus im Hintergrund gemacht.“ So eine Kulisse konnte schließlich nicht durch ein Baugerüst verschandelt werden.
Das Innere des Rathauses wird in der nächsten Woche mit Beginn der parlamentarischen Sommerpause in Angriff genommen, um die ansonsten dort Schaffenden möglichst wenig zu stören. Rückzugsräume für Renovierungsgeschädigte gibt es im Rathaus nämlich nicht: „Zum Teil mußte ich völlig im Dunkeln arbeiten, weil die Fenster während der Außenarbeiten zugeklebt waren“, erinnert sich der geplagte Senatskanzlei-Sprecher. Und fügt nicht ganz ohne Schadenfreude hinzu, daß „selbst der Bürgermeister davon nicht verschont wird.“
Hauptproblem bei der Reinigung der vielen Festsäle im Rathaus ist der Schmierfilm, der sich an Decken und Wänden abgelagert hat. – Den Rauchern sei's gedankt. „Zur Strafe dürfen sie nach Abschluß der Restaurierungsarbeiten zumindest in den Repräsentationsräumen wie dem Bürgermeistersaal keine Zigarette mehr anzünden“, sagt Fock. Doch keine Sorge: Für Zimmer 151, immer wieder gern zur Inszenierung diverser Pressekonferenzen genutzt, gilt diese strenge Regelung nicht: Der Raum ist nicht denkmalgeschützt.
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