: Sattelfeste Polizisten
■ Berlins uniformierte Ordnungshüter fahren künftig mit dem Fahrrad Streife
Wer gehofft hat, er könne als radfahrender Desperado rote Ampeln mißachten, wird nun eines besseren belehrt. Die Zeiten eines unbesorgten Radfahrens im Rot- Streifen-Milieu sind vorbei.
Ab März werden umweltbewußte Pedaltreter bei Ordnungsverstößen von wild bimmelnden und kelleschwenkenden Polizeiradlern in sportlicher Hochform überholt. Zunächst kommen die Mountainbiker in Mitte und Friedrichshain sowie in Neukölln und Wedding zum Einsatz. Weltstadtgerechter soll sie werden, die Polizei Berlins, düsen die Ordnungshüter Manhattans doch schon seit Jahren auf Drahteseln an im Stau stehenden Limousinen vorbei.
Da der deutsche Beamte für jede Situation gerüstet sein muß, darf ein zeitgemäßes Radlerkostüm nicht fehlen. Die Ordnungshüter sollen mit knackiger Radlerhose, wärmender Futterjacke, Sturzhelm und so einigen Extras auf Streife gehen. Unkosten pro Radler immerhin 1.906,46 Mark.
„Noch zu meiner Zeit war die herkömmliche grüne Uniform für pedaltretende Einsätze völlig ausreichend“, erinnert sich Helmut Hildebrandt (SPD), Mitglied des Innenausschusses, an seine frühere Polizeilaufbahn. Er hat sich indes von der Innenverwaltung aufklären lassen müssen: Die Zeiten der Billig-Drahtesel sind vorbei. Die Kosten für einen radelnden Streifendienstler lägen immerhin noch weit unter denen eines berittenen Kollegen.
Zu einer Neuauflage der Pedaltretertradition wird es nun in den Westbezirken kommen. Bis Ende der sechziger Jahre war dort die Radlerstreife noch ein fester Bestandteil der Polizei. In den darauffolgenden Jahren wurden die althergebrachten Drahtesel zunehmend von Streifenwagen verdrängt und fielen unter den Versteigerungshammer.
Kein Problem, sich in die neue sportbetonte Rolle der Polizei einzufinden, sehen die Ordnungshüter im Ostteil der Stadt. „Vor der Wende war das für uns doch ganz normal, mit dem Drahtesel auf Streife zu gehen.“ Während die polizeidienstlichen Zweiradfahrzeuge in der Konkurrenz mit Lada- Streifenwagen noch bestehen konnten, sind sie inzwischen im Vereinigungschaos der letzten Jahre verschwunden. Christine Schiffner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen